Was vom Papstbesuch im Baltikum bleibt

"Weniger lamentieren und mehr engagieren – ran an die Arbeit"

Was bleibt vom Papstbesuch im Baltikum? In Zeitungen und Innenstädten ist schon wieder Alltag eingekehrt. Und doch hat Franziskus in den vier Tagen mehr als ein Herz berührt.

„We will miss you, Pope“, darunter der Hashtag „PopeInKaunas“ und ein Herz. Keine Werbung, sondern einen Abschiedsgruß an den Papst sehen seit Sonntag Autofahrer auf dem Savanoriu-Prospekt auf einer riesigen Werbetafel. Eines von wenigen Zeichen, die im öffentlichen Raum Litauens sichtbar bleiben. Papst Franziskus absolvierte von Samstag bis Dienstag ein viertägiges Besuchsprogramm im Baltikum und setzte in jedem der drei Länder andere Schwerpunkte.

Die Nachwirkungen seiner Reden werden in manchen Zeitungskommentaren in Litauen, Lettland und Estland noch diskutiert. Allerdings dominiert schon wieder das Tagesgeschäft: In Lettland ist heiße Wahlkampfphase für die Parlamentswahlen in zwei Wochen. Auch auf den Straßen von Vilnius, Kaunas und Riga Tallinn setzte gleich nach der Abfahrt der Alltag ein. Binnen Minuten waren die schon Tage zuvor aufgebauten Barrieren in den Altstädten demontiert. Rima, eine Passantin in Vilnius, die sich darüber beschwerte, ihr Auto weit weg von der Arbeit parken zu müssen, atmete am Montag wieder auf. „Das Leben kann wieder seinen normalen Lauf nehmen.“

Ein Zurück zum normalen Leben haben manche Besucher des Papsttreffens noch nicht vor. Pfarrer Mindaugas etwa, Geistlicher einer kleinen Dorfgemeinde im Bistum Vilkaviskis, will „weniger lamentieren und mich mehr engagieren in meiner Pfarrei. Ran an die Arbeit.“ Mindaugas war bei einem Treffen mit Priestern und Ordensleuten in der Kathedrale von Kaunas, bei dem Franziskus auch hart mit seinen Zuhörern ins Gericht ging, Klerikalismus verurteilte und mehr Nähe zum Volk einforderte. „Aus der Komfortzone herauskommen und zu den Menschen gehen - Worte, die wir hier in wirklich gebraucht haben“, pflichtet die Assumptionisten-Schwester Danguale aus Vilnius bei.

Ohnehin fiel der Empfang des Papstes im katholisch geprägten Litauen am wärmsten aus, vom Wetter als auch von der Zahl der Besucher. War der Besucherandrang bei der offiziellen Begrüßung durch Präsidentin Dalia Grybauskaite noch verhalten - was sicher auch am nasskalten Wetter lag -, änderte es sich im Lauf des Samstags, als Franziskus im Papamobil durch die Stadt fuhr. Die Straßen waren gesäumt von Menschen, die die den Papst sehen und einen Handy-Schnapsschuss machen wollten.

Eindrücklich jene Szene, als Franziskus spontan vor einem Hospiz anhielt und Todkranke segnete, die in ihren Betten an der Route warteten. Die 55-jährige Krystyna konnte Franziskus einen selbst gepflückten Blumenstrauß überreichen. „Ich werde meine Hand sicher nicht so schnell waschen“, sagt sie stolz. Nur wenige Meter weiter an der Straße stand die 28-jährige Ruta. „Den Papst nicht im TV zu sehen, sondern lebendig, ist ein Erlebnis“, sagt sie.

Immer wieder wird der Vergleich zum Papstbesuch 1993 bemüht. „Ob sich die Hoffnungen erfüllen, wird sich erst zeigen. Und es kann dauern“, konstatiert die Religionssoziologin Milda Alisauskiene aus Kaunas. Der Papst habe mit seinen Reden an sich nichts Neues gesagt, etwa darüber, Migranten und ältere Menschen zu integrieren. „Aber bezogen auf die drei baltischen Länder hat er den Finger in die Wunden gelegt. Er war gut vorbereitet auf die Situation hier im Nordosten Europas.“

Die kirchliche Lage hier lässt sich mit der Formel zusammenfassen: je nördlicher, desto weniger Gläubige. Und so war der Gottesdienst am Marienheiligtum in Aglona im Südosten Lettlands zwar mit mehreren zehntausend noch rege besucht. Etwa gleich viele Menschen aber kamen hier bereits an Mariä Himmelfahrt zur traditionellen Wallfahrt, auch ohne den VIP-Gast aus Rom. „Als Stellvertreter Christi ist er eine sehr wichtige Person für mich, und natürlich lasse ich es mir nicht nehmen zu kommen“, sagte etwa der 34-jährige Oskars Verza, der am Montag bei Nieselregen und zehn Grad ausharrte.

Auf den Straßen von Riga war es bei schlechtem Wetter deutlich leerer. Eine der wenigen, die den Papst auf seinem Weg im Papamobil durch die Altstadt sahen, war Inara Uzolina. „Als Katholikin empfinde ich Freude und Stolz, dass er unsere Heimat besucht.“ Und Margit Palm, die aus dem Jugendtreffen mit dem Papst in Tallinn kommt, meint in Anspielung auf das Motto des Estland-Besuchs („Wecke auf, mein Herz“): „Mit seiner Art und seiner Rede hat er schon mein Herz erweckt“, so die 29-Jährige. „Ich bin sicher, das wird auch bei den anderen bleiben.“

KNA

26.09.2018 - Papst