Warnung vor Antisemitismus

Würdigung für Zentralrat der Juden

Zum 70-jährigen Bestehen des Zentralrats der Juden in Deutschland hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Organisation als verlässlichen Partner in Politik und Gesellschaft gewürdigt. Bei einem Festakt am Dienstag in Berlin nannte Zentralratspräsident Josef Schuster die Gründer "Pioniere", die Deutschland kurz nach dem Zweiten Weltkrieg einen großen "Vertrauensvorschuss" gewährt hätten. Beide Redner warnten im Innenhof der Neuen Synagoge in Mitte jedoch zugleich vor wachsendem Antisemitismus.

Der Zentralrat war am 19. Juli 1950 in Frankfurt am Main gegründet worden. Heute gehören ihm bundesweit 105 Gemeinden mit rund 95.000 Mitgliedern an.

Die Kanzlerin betonte, dass sich viele Überlebende der Schoah kein Leben in Deutschland hätten vorstellen können. Der Zentralrat sei zunächst als Provisorium gegründet worden, um Juden beim Auswandern zu helfen. Mit Blick auf die heutige Situation sagte Merkel: "Wir dürfen uns über ein blühendes jüdisches Leben freuen." Zugleich fühlten sich viele Juden in Deutschland nicht mehr sicher und nicht respektiert. "Es ist eine Schande und beschämt mich zutiefst, wie sich Rassismus und Antisemitismus in diesen Zeiten äußern", betonte Merkel.

Zwar habe es Rassismus und Antisemitismus immer gegeben, er trete aber seit einiger Zeit sichtbarer und enthemmter auf. Beleidigungen, Drohungen und Verschwörungstheorien richteten sich offen gegen jüdische Bürger. "Dazu dürfen wir niemals schweigen", mahnte die Kanzlerin. "Wir wissen, wie schnell aus Worten Taten werden können." Sie verwies auf den Anschlag auf die Synagoge in Halle vor etwa einem Jahr. Antisemitismus sei ein Angriff auf "Menschen, die Menschlichkeit und das Menschsein an sich".

Zentralratspräsident Schuster sagte im Innenhof der Neuen Synagoge, die mit 3.200 Sitzplätzen einst die größte Synagoge Deutschlands war, dass die Gründer des Zentralrats das Samenkorn für jüdisches Leben in Deutschland gelegt hätten. Ihr "Vertrauensvorschuss" sei jedoch angesichts von teils tödlichen Anschlägen auf Juden und jüdische Einrichtungen "auch immer wieder tief erschüttert" worden. Zugleich betonte er: "Die Mehrheit der Bevölkerung steht hinter uns." Das gelte auch für die etablierten Parteien und besonders für Kanzlerin Merkel.

Insgesamt könnten in der Gesellschaft jedoch Liebe und Respekt gegenüber Juden größer sein, sagte Schuster. In der jüdischen Gemeinschaft gebe es ein "Unbehagen", das etwa dazu führe, eine Kette mit dem Davidstern unter dem Pullover zu tragen. "Leise" stelle sich die Frage, wie sicher Juden in Deutschland leben könnten.

Schuster erinnerte daran, dass es 2019 über 2.000 antisemitische Straftaten gegeben habe - ein trauriger Rekord. Auch er prangerte Verschwörungsmythen an, die sich auch gegen Juden richteten: "Das Gedankengut der Nazis ist noch immer nicht verschwunden." Dabei wollten alle Menachen in einem gerechten und toleranten Land leben. Daher müssten auch alle etwas dafür tun.

An dem Festakt nahmen unter anderen Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble teil sowie mehrere Minister, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zahlreiche Rabbiner sowie der Berliner Erzbischof Heiner Koch und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm.

KNA

16.09.2020 - Jubiläum , Judentum , Politik