Am dritten Tag unserer Reise begeben wir uns auf einen Rundgang durchs jüdische Viertel Kazimierz. In der deutschen Sprache macht unserer Krakauer Fremdenführerin, die in Berlin Germanistik studiert hat, wohl kaum einer ihrer Landsleute etwas vor. Mit großer Sachkenntnis bringt sie uns die Besonderheiten des jüdischen Kults und Lebens nahe, das hier eine Blüte erlebte, bis das nationalsozialistische Deutschland seinen östlichen Nachbarn mit Krieg überzog. Rund 68 000 Juden haben vor dem Zweiten Weltkrieg in diesem Viertel gelebt. Nur etwa 3000 waren es noch nach der Deportation und Vernichtung der Krakauer jüdischen Bevölkerung. Auch einen jüdischen Friedhof zeigte uns die Fremdenführerin. Die Grabsteine aus Sandstein stammen zum Teil noch aus dem 16. Jahrhundert. Um sie zu restaurieren und die Inschriften wieder lesbar zu machen, hat der polnische Staat Unsummen locker gemacht, berichtet die Stadtführerin. Dafür wirkt dieses Viertel an vielen Stellen bis heute so, als wäre hier die Zeit stehengeblieben.
Aktuelle Vorschriften und ein demonstrierender Karol Wojtyla
Nachdem also unsere Führerin drinnen noch erklärt hat, wie jüdische Frauen mit goldenen Bordüren ihre Gewänder verzierten und man sich vor Betreten der Synagoge mit Bechern mit zwei Henkeln die Hände wusch und dabei durch geschicktes Anfassen des Gefäßes den Reinigungsvorschriften gerecht wurde, sammeln sich ein paar Teilnehmer aus unserer Gruppe um Bischof Bertram und die Bank im Schatten. Das Gespräch wendet sich unseren aktuellen Vorschriften zu: Jemand hat die Frage aufgeworfen, was geschehen soll, wenn wegen der Corona-Pandemie womöglich auch im Winter während des Gottesdienstes die Kirchentüren geöffnet bleiben müssen.