Exklusivinterview mit Bischof Bertram zum 60. Geburtstag

Bergtour gen Himmel

Wie feiert ein Bischof Geburtstag? Feiert er überhaupt? Keine sieben Wochen nach der Bischofsweihe steht im Bistum Augsburg die nächste Feierlichkeit ins Haus – und wie bei der Bischofsweihe verhindert das Corona-Virus große öffentliche Festivitäten. Bischof Bertram ist trotzdem gut gelaunt und lässt die Leser unserer Zeitung an seinem Leben Anteil nehmen: an einer glücklichen Kindheit, erfüllten Priesterjahren und wichtigen Wegbegleitern.

Herr Bischof, es gibt Priester, die sagen, der Geburtstag bedeute ihnen nichts und sie begingen nur Weihe- und Namenstage größer. Wie ist das bei Ihnen?

Ohne den Namenstag zu schmälern, ist mir der Geburtstag schon sehr wichtig. Denn um einen Namen zu bekommen, muss man erst einmal ins Leben gerufen werden. Als ich geboren wurde, stand im Landsberger Tagblatt, einem Ableger der Augsburger Allgemeinen, folgende Notiz: „Dem Ehepaar Hans und Erna Meier in Kaufering wurde ein Sohn Bertram Johannes geboren. Wir gratulieren zum Stammhalter.“
Ja, das war schon eine große Freude im Hause Meier. Deshalb bin ich meinen Eltern sehr dankbar für diesen Traumstart ins Leben. Ich war einfach ein Wunschkind, und das spürte ich jeden Tag. Auf diesem Fundament darf ich bis heute mein Lebenshaus bauen. Mit dem Stammhalter ist es zwar nichts geworden, aber auch als Priester versuche ich, geistlich fruchtbar zu sein. Und ich habe zwei Neffen, die Söhne meiner Schwester Alexandra, die mich bereichern und auf die ich stolz bin.

Erinnern Sie sich noch an Geschenke, die es daheim zum Geburtstag gab?

Ich weiß von einem Geschenk, das ich zum Geburtstag bekam, als ich in der zweiten Klasse war: ein großes Kasperletheater mit einigen Puppen. Da gibt es ein schönes Foto, wie meine Freunde und Freundinnen – alle Gäste des Kindergeburtstags – um das bunt bemalte Theater aus Holz stehen und ich eine Puppe stolz dem Fotografen entgegenstrecke. Es ist nicht das Kasperle und auch nicht eine Hexe, die es mir angetan hatten, sondern ein lächelnder König mit goldener Krone. Ich habe wohl schon immer davon geträumt, für ein Volk Verantwortung tragen zu dürfen.

Den Geburtstag 20. Juli teilen Sie sich mit zwei berühmten Persönlichkeiten: dem Augustiner-Mönch Gregor Mendel (20. Juli 1822), der die Genetik begründete, und dem großen Bergsteiger Edmund Hillary (20. Juli 1919). Sehen Sie da eine „gemeinsame Linie“?

Ich stelle an Gregor Mendel zwei sehr anregende Charakterzüge fest: seine intellektuelle Neugier und seine Suche nach der Wahrheit – ganz in der Tradition seines Ordensvaters Augustinus, der ja zeitlebens ein großer Suchender war. So bemühe ich mich um geistig-geistliche Spannkraft ebenso wie um den Mut, Fragen zu stellen an mich selbst, aber auch gegenüber vielem, was um uns herum vor sich geht. Die Zeit, in der wir leben, finde ich sehr spannend. Ich habe keine Angst vor dem, was kommt, sondern sehe es als Bewährung und Chance zur Erneuerung. Jedenfalls möchte ich nicht stehenbleiben, denn wer stehenbleibt, kommt im Leben und Glauben nicht weiter.
Beim Bergsteiger Edmund Hillary wird es etwas schwieriger. Denn Sport war noch nie mein Metier. Doch eine „gemeinsame Linie“ mit ihm sehe ich darin, dass ein gelungenes Bild fürs Leben die Bergwanderung ist. Auch ich habe in den 60 Lebensjahren Höhen und Tiefen erlebt, aber die schönen Panoramablicke überwiegen ganz klar. Immer wieder hat mir mein Schöpfer und Erlöser interessante Ausblicke und tiefe Einblicke gewährt. So gesehen, ist für mich mein Berufungsweg zum Bischof auch eine Art Bergwanderung. Ich hoffe, dass ich sicheren Fußes mit den mir Anvertrauten weitergehen kann und einmal den Gipfel erreiche, der biblisch Tabor heißt und theologisch Himmel bedeutet.

Wen würden Sie noch nennen, wenn man Sie nach Vorbildern in Ihrem Leben fragt?

Ganz wichtig ist mir der Jesuit Pater Rupert Mayer. An meinem Geburtstag, genau am 20. Juli 1960, wurde für ihn in München das Seligsprechungsverfahren eröffnet. Solange sie konnte, ist meine Mutter bei jedem München-Besuch in der Bürgersaalkirche an seinem Grab eingekehrt und hat ihm ihre Nöte und Wünsche anvertraut. Und auch ich schaue immer wieder bei diesem überzeugenden „Apostel Münchens“ vorbei. Bei ihm sind meine Anliegen gut aufgehoben. Davon bin ich fest überzeugt.
Was mich an Pater Rupert Mayer besonders beeindruckt, ist die Art, wie er gestorben ist. Bedingt durch die Beinprothese, blieb er aufrecht am Altar stehen. Pater Mayer ist niemals umgefallen, nicht einmal im Sterben. Auch ich möchte aufrecht und aufrichtig leben – bis zuletzt.

Andere bereiten sich mit 60 Jahren auf den Ruhestand vor. Sie starten voll durch. Wie geht es Ihnen damit?

Für kirchliche Biografien könnte ein Alter von 60 Jahren nicht passender sein, um eine neue Aufgabe anzutreten. Ich habe 35 Jahre Berufserfahrung als Priester gesammelt, und jetzt – so Gott will – werde ich wohl 15 Jahre als Bischof von Augsburg wirken dürfen. Mit meinem Alter habe ich die nötige Erfahrung, aber noch Spannkraft und Frische. Noch etwas, was mich schmunzeln ließ, möchte ich hier erzählen: Seit ich Bischof bin, finden manche, dass ich noch jünger aussehe als zuvor. Warum? Weil das violette Scheitelkäppchen (= Pileolus) ein Manko verdecke: das fehlende Haar auf dem Kopf.  So sieht man nur meine dunklen Haare. Denn ansonsten habe ich bisher kaum graue Haare. Möge es noch lange so bleiben!

Corona macht wieder einmal einen Strich durch die Rechnung: Sie hätten gerne mit Ihren Diö­zesanen gefeiert, das geht aber nicht. Was ist jetzt ersatzweise geplant?

Der Geburtstag ist ein Tag ganz ohne Sitzungen und Termine. Diesen Festtag auf das Leben habe ich mir schon seit langem freigehalten. Ich bin gespannt und warte, was auf mich zukommt. Ich werde einfach da sein, um „Gratulationsaudienzen“ zu geben. Am Abend feiere ich dann mit Freunden und engeren Mitarbeitern eine Dankvesper und nachher geht’s weiter im Garten.

Machen Sie sich zum Geburtstag auch selbst ein Geschenk?

Ich werde einfach das Gefühl der Dankbarkeit groß werden lassen und es Gott als Lobpreis zurückgeben: Danke, dass Du mich geschaffen hast! Das gibt Kraft fürs Weitergehen. Mein Motto für den Geburtstag lautet: ein Prosit auf das Leben!

Interview: bc, jm, la

17.07.2020 - Bischöfe , Bistum Augsburg