Am 17. Januar wäre die Kurdin Hatun Aynur Sürücü 40 Jahre alt geworden. Wäre, denn sie wurde 2005 in Berlin von ihrem eigenen Bruder auf offener Straße erschossen. Die damals 23-Jährige soll mit dem Gedanken gespielt haben, katholisch zu werden. Vielleicht eines der Motive des Täters.
Wenige Tage noch und Hatun Sürücü hätte den Gesellenbrief in der Hand gehabt. Elektroinstallateurin wollte sie werden. Leitungen legen, Geräte warten und vor Ort sein, wenn was kaputt war – das war ihr Traum. Hatun hatte geschickte Hände, lachte viel, konnte gut mit Kunden, so erinnert sich ein Arbeitskollege. Doch nicht vielen Kunden war diese Erfahrung vergönnt.
Ohne Überlebenschance
Am 7. Februar 2005 wurde die Deutsch-Kurdin von ihrem eigenen Bruder an einer Bushaltestelle in Berlin Tempelhof erschossen, mit Schüssen in den Kopf. Eine Überlebenschance hatte die junge Frau nicht. Unter dem weißen Tuch, das Rettungssanitäter über ihren Leichnam legten, rann Blut auf die Straße.
Diese Bilder zeigte damals auch das Fernsehen. Sie verliehen der Diskussion um Integration und „Multi-Kulti“ eine nachhaltig nachdenkliche Note. Präsent sind die Bilder auch wieder während der sogenannten „Flüchtlingskrise“ im Herbst 2015 und nach dem darauf folgenden Sprung der AfD in den Deutschen Bundestag.
Ein Gedenkstein und eine Brücke
Ein Gedenkstein am Tatort in der Oberlandstraße erinnert heute an das Verbrechen an Hatun Sürücü. Immer wieder liegen dort Blumen und Kränze, daneben rote Friedhofslichter und bunte Kärtchen. Auch eine Brücke in Berlin wurde nach der Ermordeten benannt. Und immer wieder im Februar gedenken Berliner Politiker, Privatleute und Medienschaffende des grausamen Verbrechens. 2018 berichtete Sandra Maischberger in der Fernsehdokumentation „Nur eine Frau“ über den Fall.
„Er agierte mit absolutem Tötungswillen“, so urteilten später die Richter über den Täter und verurteilten ihn zu neuneinhalb Jahren Jugendstrafe, weil er zum Zeitpunkt der Tat noch minderjährig war. Im Gefängnis gab der Mörder ein Interview, bei dem er weiter seinen Hass auf die tote Schwester durchblicken ließ. Ob zwei weitere Brüder von den Mordplänen wussten, konnte bislang nicht bewiesen werden. Ermittler sind sich aber sicher, dass die Tat in der Familie abgesprochen war und auch die Tatwaffe dort besorgt wurde.
Den Ehemann verlassen
Das Motiv: Mitglieder der Familie Sürücü hatten sich am westlichen Lebensstil Hatuns gestört. Sie hatte dem Islam die rote Karte gezeigt und sich für ein eigenes, freies Leben in der bunten Metropole Berlin entschieden. Sie hatte den Schleier abgelegt und ihren zwangsweise angeheirateten Ehemann verlassen. Sogar mit einem nichtmuslimischen Mann poussierte sie.