Papst-Attentäter Ali Agca:

Seit 36 Jahren vermisste Vatikanbürgerin Orlandi lebt

In die Suche nach der vermissten Emanuela Orlandi auf dem Friedhof des deutschen Priesterkollegs am Vatikan hat sich Papst-Attentäter Ali Agca eingeschaltet. Die seit 36 Jahren verschwundene Orlandi lebe und sei wohlauf, erklärte der 61-jährige Agca am Donnerstag über seinen Anwalt. Der Bruder Emanuelas, Pietro Orlandi, äußerte starke Zweifel am Gehalt der Aussagen. Agca suche lediglich „mediale Aufmerksamkeit“. Augenblicklich wird im Priesterkolleg Campo Santo Teutonico nach Hinweisen geforscht, die Licht in das Schicksal der damals 15-jährigen Vatikanbürgerin bringen könnten.

Agca hatte 1981 Papst Johannes Paul II. durch Schüsse auf dem Petersplatz lebensgefährlich verletzt; bis 2010 saß er in italienischer und türkischer Haft. Zu den möglichen Theorien über das Verschwinden von Orlandi am 22. Juni 1983 gehört, dass es sich um eine versuchte Erpressung zur Freilassung Agcas handelte.

Agca behauptet, Emanuela Orlandi sei „nie im eigentlichen Sinn des Worts entführt“ worden, sondern Opfer einer vom US-Geheimdienst CIA konzertierten internationalen Verschwörung. Dabei gebe es auch eine Verbindung zum „dritten Geheimnis von Fatima“, einer von Seher-Kindern empfangenen Botschaft der Gottesmutter aus dem Jahr 1917.

„Emanuela hat niemals irgendeine Gewalt erlitten“, erklärte Agca. Der Fall habe keinerlei kriminellen oder sexuellen Hintergrund, hieß es weiter. Eine Aussage von Papst Franziskus, Emanuela befinde sich „im Himmel“, sei „manipuliert“. Agca weiter: „Die vatikanische Regierung ist für die Organisation dieser internationalen Intrige nicht verantwortlich“. Den CIA forderte er auf, seine „geheimen Dokumente“ offenzulegen.

Emanuelas Bruder Pietro Orlandi bezeichnete die Äußerungen als „weitere Verwirrungen Agcas. Erst beschuldigte er den Vatikan, jetzt verteidigt er ihn“, sagte Orlandi. Unverändert bleibe einzig die Behauptung Agcas, Emanuela lebe im Ausland unter Kontrolle des Vatikan. Jedoch hätten weder Agca noch andere jemals Belege für diese These vorgelegt. Agcas Wiedergabe des fraglichen Zitats von Papst Franziskus zu Emanuela bezeichnete Pietro Orlandi als sachlich falsch. Die Äußerung zeige, dass auch Agca sich nur auf das stütze, was er irgendwo lese.

Der Fall Orlandi gehört zu den bekanntesten ungelösten Kriminalfällen der jüngeren italienischen Geschichte. Nachdem die Familie nach eigenen Angaben Hinweise von Informanten aus dem Vatikan erhielt, öffneten am 11. Juli Ermittler zwei Adelsgräber im Campo Santo Teutonico, jedoch ergebnislos. Vergangenen Samstag wurden zwei Gebeinkammern mit zweitbestatteten Knochen im Priesterkolleg ausgeräumt. Die Überreste sollen kommenden Samstag gerichtsmedizinisch untersucht werden.

KNA