Rechtzeitig zu Weihnachten ist die Krippe, worin Jesus der Überlieferung nach als Neugeborenes lag, nach Bethlehem zurückgekehrt. Zumindest ein kleiner Teil davon. Der Apostolische Nuntius in Israel, Erzbischof Leopoldo Girelli, übergab das Geschenk von Papst Franziskus, ein Holzstück der Reliquie, feierlich dem Franziskaner-Kustos des Heiligen Landes, Pater Francesco Patton.
„... und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war“, steht im Evangelium über die Geburt Jesu (Lk 2,7). Das Jesuskind lag im Stall von Bethlehem also in einer Art Futtertrog. Im antiken Palästina wurden Höhlen häufig zur Unterbringung von Vieh genutzt, Futtertröge bestanden in der Regel aus Holz.
Heidnischer Tempel unter Kaiser Hadrian
Nach dem zweiten jüdischen Aufstand gegen die Römer im Jahr 135 ließ Kaiser Hadrian über der Geburtsgrotte einen heidnischen Tempel errichten. In Vergessenheit geriet der Ort dadurch aber nicht. Justin der Märtyrer und im dritten Jahrhundert Origenes berichten, dass die Christen den Geburtsort Jesu immer noch verehrten. Dort zu sehen seien „die Grotte und darin die Krippe“, in der Christus gelegen habe.
326 ließ Helena, die Mutter Kaiser Konstantins, eine Kirche über der Grotte errichten. Kirchenvater Hieronymus, der 385 nach Bethlehem kam, wetterte über den goldenen Glanz der Basilika. Die „aus Lehm gefertigte Krippe“ habe man „durch eine silberne ersetzt“. Und das, wo doch „der Schöpfer der Welt nicht in Gold und Silber, sondern in Staub geboren wurde“! Vielleicht hatte sich die ursprüngliche Krippe aus Holz mit Staub und Erde vermischt?
Krippe kam nach Rom
Mitte des siebten Jahrhunderts ließ Sophronius, der Patriarch von Jerusalem, die Krippe nach Rom bringen, wo sie Papst Theodor I. übergeben wurde. Heute befindet sich die Reliquie in der Basilika Santa Maria Maggiore, in einer der ältesten und bedeutendsten Kirchen Roms. Das Holz der Krippe liegt unter ihrem Hochaltar in einem krippenförmigen Reliquiar aus Kristall und Silber. Die Kapelle wurde unter Papst Pius IX. (1846 bis 1878) erbaut, dessen große Hingabe an die Heilige Krippe Jesu überliefert ist.
Alternatives Jerusalem
Yisca Harani, eine jüdische Wissenschaftlerin, die das Christentum erforscht, spricht angesichts der Rückkehr eines Teils der Krippe von einer Umkehrung der Geschichte: „Vor 1000 Jahren sammelte Rom Reliquien aus dem Osten, um ein alternatives Jerusalem aufzubauen. Jetzt ist Rom stark genug, um diese Relikte an ihren ursprünglichen Ort zurückzubringen.“
Der Holzspan aus der Krippe Jesu ist nicht das erste Artefakt, das Rom verlässt, weiß Harani: „In den vergangenen Jahrzehnten hat die katholische Kirche einige Reliquien von Heiligen an ihren ursprünglichen Ort zurückgegeben, um die Beziehungen unter den christlichen Gemeinschaften weltweit zu verbessern.“
Da meine Frau Louisa in Bethlehem im Schatten der Geburtsgrotte geboren wurde und ihre Mutter sie als Baby manchmal sogar in der Grotte gestillt hat, möchten wir natürlich bei der Ankunft der Reliquie im Heiligen Land dabei sein. Die erste Station: ein Gottesdienst in der Kapelle „Unsere Liebe Frau vom Frieden“ im Jerusalemer Pilgerzentrum „Notre Dame“.
Ein Schwarm Journalisten und Kameramänner breitet sich in den ersten Reihen der Kapelle aus. Auf die Minute genau setzt die Orgel ein und Nuntius Girelli schreitet mit der monstranzartigen Reliquie in der Hand in Begleitung von Priestern und Bischöfen zum Altar. Der Gottesdienst erscheint wie eine Ouvertüre zur Christmette in Bethlehem.
Zuflucht des Menschen
Das Evangelium handelt von der Geburt Jesu. Ein hilfloses Kind wird die Tür zum Reich Gottes. Eine aus dem Fels geschlagene Grotte, Unterschlupf der Tiere gegen Hitze und Regen, wird zum Zufluchtsort des Gottmenschen: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,11). Bis heute, mag sich mancher denken.
Rückgabe der Krippen-Reliquie ist ein Privileg
„Wir sind Papst Franziskus dankbar für dieses Geschenk und das Privileg, diese heilige Reliquie zu bewahren“, sagt Franziskaner-Kustos Patton. „Da die gesamte Holzkonstruktion zu zerbrechlich ist, um sie von Rom nach Bethlehem zu befördern, entschloss sich der Heilige Vater, uns stattdessen einen kleinen Teil davon zurückzugeben. Dies ist ein sehr bedeutendes Ereignis für uns.“