Seit über 200 Jahren gelten die USA als sicherer Hafen für Juden in der Diaspora. Viele sind vor Krieg und Verfolgung über den Atlantik geflohen. Dort trafen sie auf eine Gesellschaft, in der sie frei leben konnten. Antisemitismus galt in den USA als praktisch undenkbar. Heute nicht mehr. Die Präsidentschaft von Donald Trump verändert die Atmosphäre im Land. Zwar hat Trump den Judenhass erst kürzlich wieder verurteilt. Rechtsextreme fühlen sich durch den Präsidenten dennoch in ihrem Tun bestärkt.
Im Oktober vergangenen Jahres stürmte ein bewaffneter Mann in die „Tree of Life“-Synagoge in Pittsburgh, eröffnete das Feuer und brüllte: „Tod den Juden!“ Elf Menschen starben. Es war der tödlichste antisemitische Anschlag in der Geschichte der USA. Kürzlich erschütterte ein neues Attentat das Land: Ein Bewaffneter erschoss in Kalifornien in einer Synagoge eine Jüdin und verletzte viele. Immer mehr Juden stellen sich die Frage, ob sie noch unbeschwert in den USA leben können.
Während der Sabbatfeier in einer Synagoge der Upper West Side von Manhattan sitzen rund 100 Gläubige auf Holzbänken. Eine Frau mit langen, grauen Haaren trägt einen weißen Tallit, ihren rituellen Gebetsmantel, auf den sie einen Aufruf zum politischen Widerstand genäht hat. Rechtsanwältin Elisabeth Langer bezeichnet sich seit ihrer Pensionierung als Künstlerin. Sie malt und verbindet ihre Kunst mit politischem Protest gegen Donald Trump.
Vergleichbar mit Hitler
„Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich wirklich Angst, weil ich Jüdin bin“, sagt sie. „Ich habe den Eindruck, dass wir in einer Zeit leben, die vergleichbar ist mit der Zeit der Machtübernahme Hitlers in Deutschland. Es geschehen wieder furchtbare Dinge. In unserer Nachbarschaft werden Hakenkreuze auf Wände gesprüht. Es hat Massaker gegeben. Unsere Synagogen und unsere Schulen brauchen immer mehr Sicherheitspersonal. Es gibt so viel Hass. Und der beginnt ganz oben, bei den mächtigsten Personen unseres Landes. Das ist gefährlich.“
In New York leben weit über eine Million Juden, mehr als in jeder anderen Stadt der Welt. Doch die jüdischen Gemeinden sind zunehmend gespalten. Während die meisten Juden in den USA der Demokratischen Partei ihre Stimme geben, fühlen sich jüdische Unterstützer von Trump aus den jüdisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaften zunehmend an den Rand gedrängt.
Teil der Identität
Viele orthodoxe Rabbiner wollen Fragen zum US-Präsidenten nicht beantworten. Eine Ausnahme ist Mike Moskowitz, ein ultraorthodoxer, litauischer Jude. „Ich trage einen langen Bart, eine lange, schwarze Jacke, einen schwarzen Hut und ich lebe in der ultraorthodoxen Gemeinde Lakewood in New Jersey“, beschreibt er sich selbst. Als den wichtigsten Teil seiner Identität bezeichnet Moskowitz das Studium alter Texte. Aber auch die aktuelle Politik interessiert ihn.