Wie ein Entdecker auf Expedition: Als Vorbild und Trainer motiviert Juan Ruiz Kinder und Jugendliche mit Sehbehinderung, ihre Umgebung zu erkunden und neugierig zu sein. Dafür bringt er ihnen eine einzigartige Technik bei.
Juan Ruiz sieht aus wie ein Held aus einem Actionfilm. Sportlich und selbstbewusst, in dunkelrotem Polohemd mit großer Sonnenbrille im braun gebrannten Gesicht. Auch die Biografie des gebürtigen Mexikaners bietet so einiges, das sich gut in einem Blockbuster machen würde: Ruiz hat den Grand Canyon durchwandert und Gebirge erklommen, hat bislang in 27 Ländern gearbeitet, spricht Spanisch und Englisch, gutes Deutsch und ein wenig Italienisch. Außerdem hält er den Weltrekord im Mountainbiken auf Zeit. Genauer: im blind Mountainbiken. Denn der 38-Jährige ist seit seiner Geburt vollständig blind.
Als Vorbild und Trainer beim Berliner Verein „Anderes Sehen“ trainiert er Kinder mit Sehbehinderungen in ganz Deutschland, sich in ihrer Umgebung sicher zu bewegen. „Wir dürfen Kindern nicht beibringen, abhängig zu sein“, erklärt er seine Kernbotschaft. „Sie müssen die Chance erhalten, zu entdecken, auszuprobieren und Herausforderungen anzunehmen.“
In Nürnberg leitet er eine Woche lang Schulungen im Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte. „Juan bringt Bewegung in die Menschen“, sagt Gabriele Feigl, die Leiterin des Zentrums. „Er animiert, auch mit Behinderung alle Sinne zu nutzen, um ein selbstständiges Leben zu führen – und vor allem ein glückliches.“
Anleitung zum Glück
Blinde und sehbehinderte Kinder aus dem Förderzentrum sitzen gespannt auf ihren Plätzen. Jugendliche aus den beruflichen Schulen sind gekommen, Eltern, Lehrer, Therapeuten. Der Referent wird mit tosendem Applaus empfangen. Er werde „eine Anleitung zum Glücklichsein“ vorstellen, verspricht Feigl.
Eine wichtige Botschaft vermittelt Ruiz den Zuhörern gleich zu Beginn: „Am besten nutzt ihr das Klicksonar, wenn ihr in der Welt unterwegs seid. Dazu müsst ihr euch aber erst einmal bewegen!“ Das sogenannte Klicksonar ist die Technik, für die Ruiz bekannt ist und die er für seinen Alltag perfektioniert hat. Mit seiner Zunge erzeugt er kurze Schnalzlaute. Aus dem Klang des Echos folgert er dann, ob der Weg frei ist oder welchen Hindernissen er ausweichen muss – beim Gehen und Wandern oder eben beim Fahrradfahren.
„Unbewusst nutzen wir alle die Geräusche unserer Umgebung, um uns ein Bild von der Umwelt zu machen“, erklärt Ruiz. Wenn er „Wir“ sagt, dann meint er damit die Kinder und Jugendlichen, die heute vor die gleichen Probleme gestellt sind wie er als kleiner Junge. Er ist einer von ihnen und kennt sich aus.