Ein schönes Farbgemälde ist es zweifellos. Ein buntes Bild mit drei kleinen Fischerbooten im Vordergrund und einer glühenden Sonne im Zentrum, deren Strahlen sich orange im Wasser des Hafens von Le Havre spiegeln. Geschaffen hat es 1872 der französische Maler Claude Monet bei Sonnenaufgang von einem Hotelbalkon aus. Ein Kunstwerk, das Geschichte machen sollte.
Sein Titel nämlich „Impression, Soleil levant“ (Impression, Sonnenaufgang) gab einer Stilrichtung den Namen, die heute als Impressionismus bekannt ist und ihren Anfang in der Normandie fand. Monets Sonnenaufgang entstand am 13. November 1872, genau morgens um 7.35 Uhr. Das jedenfalls haben Wissenschaftler unlängst herausgefunden, als sie Wetterberichte und andere für die Entstehung des Gemäldes relevante Daten wie Wasserstand und Öffnungszeiten der Hafenschleuse miteinander verglichen.
150. Geburtstag
Monets Gemälde und damit der Impressionismus feiern deshalb an diesem Sonntag 150. Geburtstag. In der Normandie wurde das Jubiläum sogar schon im August mit einem großen Festival begangen. An 15 Standorten – von Giverny bis Rouen und Le Havre oder von Honfleur über St. Lo bis Caen – wurden im Gedenken an die Impressionisten neue künstlerische Impulse gesetzt, unter anderem mit spektakulären Aktionen und Ausstellungen, aber auch mit Tanz und Musik.
Vor allem die Sonne, die Landschaften ebenso wie Gebäude, Menschen, Tiere und Pflanzen in immer wieder neues Licht rückte, hatte es den Künstlern angetan. Sie war es, welche die schroffen Kreidefelsen ebenso beseelte wie die endlosen Sandstrände am Atlantik. Kirchenfassaden wie der Kathedrale von Rouen hauchte sie neues Leben ein. Und Gartenlandschaften wie in Giverny erstrahlten in ihrem Glanz in immer neuen Farben.
Ganz neue Perspektiven
Den Siegeszug der Impressionisten beschleunigten vor allem zwei Erfindungen: zum einen die 1841 patentierte Fertigung von Ölfarben in Tuben, die das Malen im Freien möglich machte, zum anderen die Fotografie. Mit ihr war die Abbildung der Realität nicht mehr nur Sache der Maler, sondern auch der Fotografen, die damit der Malerei ganz neue Perspektiven vermittelten und so den Weg für eine künstlerische Weiterentwicklung der Malerei freimachten.
Der 1840 geborene Claude Monet war einer ihrer Pioniere. 1874 hatte er seine ersten Bilder zusammen mit denen anderer Maler in einem Pariser Fotoatelier ausgestellt, darunter seinen Sonnenaufgang. Mancher Ausstellungsbesucher beschimpfte ihn damals als „von Affen gemalt“. Als „impressionistisch“ bezeichnete Kunstkritiker Louis Leroy Monets Gemälde. Damals war das allerdings ebenfalls abwertend gemeint! „Eine Tapete im Urzustand ist ausgearbeiteter als dieses Seestück“, schimpfte Leroy in seiner Rezension des Bildes.
Mit kurzen Pinselstrichen, teilweise so dünn aufgetragen, dass die Leinwand durchschien, hatte Monet ein Bild geschaffen, von dem er nicht ahnte, dass es Geschichte schreiben sollte. Schon seine Titulierung bereitete ihm Schwierigkeiten. „Da ich das Bild schlecht ‚Ansicht von Le Havre‘ nennen konnte, sagte ich: Nennen Sie es Impression.“
Vergessenes Meisterstück
Mit dem Titel „Impression. Soleil levant“ kam es schließlich zur Ausstellung 1874, wo es für 800 Francs einen Käufer fand, der es vier Jahre später für nur noch 210 Franc an einen Kunstsammler weiterverkaufte. Schließlich hatte Monet in der Zwischenzeit weitere Gemälde auf den Markt gebracht, die sein Meisterstück vergessen ließen.
Als 1878 ein erstes Buch über die „impressionistischen Maler“ erschien, fand Monets Sonnenaufgang nicht einmal mehr Erwähnung. Auch die Organisatoren großer Impressionismus-Ausstellungen fragten lange nicht nach dem Bild, sondern zeigten von Monet lieber den Bahnhof in Paris-Saint-Lazare oder Ansichten von den Tuilerien. Im Werkverzeichnis des Künstlers wurde das Bild sogar auf 1873 datiert, obwohl es eine Signatur mit der Jahreszahl 1872 trug.