Sanierte Fassaden, gepflegte Grünanlagen und eine sorgfältig gepflasterte Innenstadt: Idylle pur, so der erste Eindruck von Eisenberg, einer Kleinstadt im Osten Thüringens, unweit von Weimar und Jena gelegen, den Stätten deutscher Klassik. Was nur wenigen bekannt ist: Eisenberg war in den 1950er Jahren auch ein Ort des Widerstands gegen das SED-Regime.
In Eisenberg begingen DDR-Behörden Unrecht an Jugendlichen, an Studenten und Schülern, die sich für Freiheit und Demokratie eingesetzt hatten. Die jungen Leute aus Eisenberg nannten sich „Eisenberger Kreis“ und hatten als Vorbild die Münchner „Weiße Rose“ rund um die Widerstandskämpfer Sophie und Hans Scholl, die 1943 für ein paar Plakate und Flugblätter gegen die Hitler-Diktatur hingerichtet worden waren.
„In Eisenberg formierte sich 1953 Widerstand gegen die Unterdrückung christlicher Gemeinden und Zirkel durch die SED“, erklärt der Historiker Wolfgang Blaschke von der Freien Universität Berlin. Hintergrund war die von der Parteipropaganda seinerzeit lancierte Behauptung, Christen seien „Agenten des Westens“ und damit verlängerter Arm der USA und des „westdeutschen Imperialismus“.
Ein gleichlautendes Pamphlet, das DDR-weit an Hauswänden hing und in der zensierten Presse erschien, war 1953 Höhepunkt einer staatlichen Kampagne gegen die Kirche, die bereits in den Jahren zuvor begonnen hatte. Zuvor war die Junge Gemeinde, also die Jugendarbeit der evangelischen Kirche in der DDR, ins Visier der Einheitspartei geraten.
Von der Schule verwiesen
Rund 3000 Schüler und Lehrer, die sich zur Jungen Gemeinde bekannt und keine offizielle Austrittserklärung unterzeichnet hatten, wurden in der Folge von Oberschulen verwiesen. So hießen die umbenannten Gymnasien in der sowjetischen Besatzungszone seit 1946. Viele Lehrer siedelten in den Westen über und unterrichteten dort bis zur Pensionierung.
Thomas Ammer, 1937 geborener Zeitzeuge und Aktivist gegen das SED-Unrecht, erinnert sich, wie 1953 an der heute nicht mehr existenten Eisenberger Oberschule in der Rosa-Luxemburg-Straße ein regelrechtes Tribunal gegen drei kritische Schüler veranstaltet wurde: „Ich war damals FDJ-Sekretär der zehnten Klasse und habe in dieser Eigenschaft an der Schülervollversammlung, die die Schulleitung einberufen hatte, teilgenommen“, sagt er.
Viele unbekannte Funktionäre waren zuvor als kommunistische Stimmungsmacher in Eisenberg aufgetaucht, wobei mit dem Rauswurf aus der Staatsjugend FDJ auch die Relegierung von der Schule erfolgte. „In der Vollversammlung habe ich dem Antrag widersprochen, einige andere auch, was aber viel zu wenige waren, um der Stimmungsmache durch SED-Claqueure entgegenzuwirken“, sagt Ammer.
Der Volksaufstand vom 17. Juni
Die aufgeheizte Stimmung im Land führte wenige Monate später zum landesweiten Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953. Mit Übertragung des stalinistischen Systems auf die DDR waren zuvor nichtkommunistische Parteien und Organisationen flächendeckend der Gleichschaltung anheimgefallen. Sie mussten ihre Arbeit einstellen, sich den neuen kommunistischen Organisationen anschließen oder aus der Öffentlichkeit verschwinden.