Er ist Arzt, Buchautor und Botschafter des Friedens: Der palästinensische Gynäkologe Izzeldin Abuelaish verlor seine Kinder durch einen israelischen Angriff – und kämpft seitdem für ein Ende der Gewalt im Heiligen Land. Mit seinem Buch „Du sollst nicht hassen“ wirbt er um Versöhnung. Mehrfach war der „Gaza Doctor“, wie ihn internationale Medien nennen, für den Friedensnobelpreis nominiert.
Abuelaish wuchs in einem Flüchtlingslager im Gazastreifen auf. Trotz der schweren Kindheit in Armut und Elend konnte er sich dank eines Stipendiums seinen Herzenswunsch erfüllen, Arzt zu werden. Er war der erste Mediziner aus den Palästinensergebieten, der trotz täglicher Schwierigkeiten an den Kontrollpunkten der Armee gemeinsam mit jüdischen Kollegen in einer Klinik in Israel arbeiten durfte.
Seine Frau Nadia, die er 1987 heiratete, schenkte ihm acht Kinder. 2008 musste er erleben, warum man Gaza „das größte Gefängnis der Welt“ nennt: Als Nadia an akuter Leukämie erkrankte und sterbend in Tel Aviv im Krankenhaus lag, hielten ihn israelische Soldaten stundenlang an der Grenze fest. Kaum hatte sich Abuelaish vom Tod seiner Frau etwas erholt, sollte ihn der nächste Schicksalsschlag ereilen.
Während der Operation „Gegossenes Blei“ der israelischen Armee, die vor genau zehn Jahren endete, schlugen im Januar 2009 zwei Panzergranaten in sein Haus ein. Drei seiner Töchter und seine Nichte starben. Sein Bruder und eine weitere Tochter wurden schwer verletzt. Der aufgelöste Vater kommentierte live im israelischen Fernsehen: „Unser Haus wurde bombardiert. Meine Töchter sind tot. Oh Gott, was haben wir getan?“ Seine Wehklage vor laufender Kamera sorgte in Israel und weltweit für Anteilnahme.
Er hätte Grund zu hassen
Abuelaish hätte allen Grund zu hassen. Stattdessen kämpft er für Verständigung und Versöhnung mit Israel. „Auf keinen Fall werde ich mich zum Hass hinreißen lassen. Das habe ich meinen toten Töchtern versprochen. Dieses Versprechen werde ich nie brechen“, sagt er. „Hass macht blind. Frieden ist Menschlichkeit. Frieden bedeutet Respekt. Frieden ist ein offener Dialog. Heute notwendiger denn je.“
Seine „Waffe“, sagt Abuelaish, ist die Bildung. „Deshalb erzog ich meine Kinder als Kämpfer für Frieden und Menschlichkeit.“ Als Bessan, seine älteste Tochter, mit 21 Jahren getötet wurde, stand sie kurz vor ihrem Studienabschluss. „Sie war diejenige, die mir half, nach dem Tod meiner Frau die Krise zu bewältigen, indem sie mich ermutigte, wieder mit vollem Elan meine Arbeit anzupacken.“
Mayar war bei ihrem Tod 15 Jahre alt. Sie wollte Ärztin werden, wie ihr Vater. Die 13-jährige Aya träumte davon, als Anwältin zu arbeiten. „Sie wollte eine Stimme für Menschen sein, deren Stimme nicht gehört wird“, erinnert sich Abuelaish. Seine 16-jährige Tochter Shatha, die den israelischen Angriff verletzt überlebte, verlor ein Auge und musste Monate im Krankenhaus verbringen.
Abuelaish zog mit seinen fünf verbliebenen Kindern nach Kanada, um an der Universität Toronto eine Medizin-Professur anzutreten. Er gründete die Stiftung „Töchter für Leben“, die Mädchen und jungen Frauen im Nahen Osten – gleich welcher Herkunft – helfen will, ein Studium zu finanzieren. Nebenbei schrieb er seine Geschichte nieder: „Du sollst nicht hassen“, heißt das Buch, das 2011 auch auf Deutsch erschienen ist.
„Hass ist ein Gift, das denjenigen zerstört, der es mit sich trägt“, schreibt Abuelaish in dem Buch, das ein Welterfolg wurde. Mit ihm möchte der Arzt aus Gaza seine Botschaft der Hoffnung für alle Menschen vermitteln. „Seht euch um, fragt, lernt, schließt euch zusammen“, fordert er seine Leser auf. „Die Menschlichkeit vereint uns, Frieden, Liebe, Freiheit und Gesundheit zu genießen und die Herausforderungen zu meistern, mit denen die Welt uns konfrontiert, insbesondere Gewalt, Hass, Krankheit und Armut.“
Als Abuelaish kürzlich an einer Konferenz über die Beseitigung von Friedenshindernissen in Israel teilnahm, beklagt er: „Es tut mir weh, im Staat Israel anzukommen, ohne die Möglichkeit zu haben, die Gräber meiner Töchter zu besuchen.“ Er bräuchte eine Erlaubnis, um die Checkpoints der Armee passieren zu dürfen. „Wir müssen Brücken zwischen den Menschen bauen, nicht Kontrollpunkte“, fordert er.