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Keine Berufung gegen Kölner Schmerzensgeld-Urteil

Im Schmerzensgeld-Prozess gegen das Erzbistum Köln will der Kläger einem Zeitungsbericht zufolge von einer Berufung absehen. Das berichtet der "Kölner Stadt-Anzeiger". Auch das Erzbistum verzichtet auf diesen Schritt. Damit könnte das Urteil in Kürze rechtskräftig werden. Die Frist für etwaige Einsprüche läuft laut Landgericht Ende des Monats ab.

Das Erzbistum soll nach dem am 13. Juni ergangenen Urteil einem Missbrauchsbetroffenen 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Der ehemalige Messdiener Georg Menne soll in den 1970er Jahren mehrere hundert Male von einem inzwischen verstorbenen Priester missbraucht worden sein. Es war das erste Mal, dass ein deutsches Gericht einem Opfer von sexualisierter Gewalt in der Kirche einen Anspruch auf Schmerzensgeld zubilligte.

Menne machte für seine Entscheidung laut "Stadt-Anzeiger" gesundheitliche Motive geltend: "Wäre ich kühl genug und machten mir die posttraumatischen Belastungsstörungen nichts aus, wäre auch ich gern weitergegangen. Aber ich schaffe das nicht." Der 64-Jährige verwies auf die unabsehbare Dauer einer weiteren juristischen Auseinandersetzung und den ungewissen Ausgang. Es sei ihm in dem ganzen Verfahren nicht in erster Linie um Geld gegangen. "Mir war es wichtig, dass es zu einem Urteil kam. Ich bin aufgestanden und habe der Kirche Grenzen aufgezeigt", sagte Menne.

Das Erzbistum nannte keine Gründe für einen Verzicht auf die Berufung. Erzbischof Rainer Maria Woelki hatte aber schon unmittelbar nach dem Urteil die Entscheidung des Gerichts begrüßt und erklären lassen, dass die Erzdiözese für das erlittene Unrecht und das Leid der Opfer die institutionelle Mitverantwortung übernehme.

Dem Urteil wird grundsätzliche Bedeutung für weitere Verfahren zugemessen, die Missbrauchsopfer gegen die Kirche angestrengt haben und in Zukunft anstrengen könnten. Mennes Anwalt hatte vor kurzem Klage für die Pflegetochter eines aus dem Klerikerstand entlassenen Priesters eingereicht. Für die an ihr begangenen Verbrechen fordert die Frau vom Erzbistum ein Schmerzensgeld von 830.000 Euro sowie 20.000 Euro im Vorgriff auf den Ausgleich künftiger immaterieller Schäden.

Auch könnte das Urteil Auswirkungen auf das kircheninterne System für Zahlungen an Missbrauchsbetroffene haben, die von vielen als zu niedrig empfunden werden. Die für die Zahlungen verantwortliche Unabhängige Kommission zur Anerkennung des Leids (UKA) orientiert sich nach eigenen Angaben "am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder". Sie hatte sich offen für höhere Zahlungen gezeigt. Voraussetzung sei allerdings, dass das Kölner Urteil rechtskräftig werde.

Menne hatte im Rahmen dieses kircheninternen Systems 25.000 Euro erhalten. Diese müssen laut Gericht auf die Schmerzensgeldzahlung angerechnet werden.

KNA

27.07.2023 - Bistum , Missbrauch , Urteil