Seit einem Jahrzehnt wird nahe des südbadischen Städtchens Meßkirch an einem buchstäblich historischen Bauwerk gearbeitet: Auf einem 25 Hektar großen Areal entsteht eine Klosterstadt mit mehr als 50 Gebäuden – nach einem Plan und der Technik von vor 1200 Jahren. „Campus Galli“ heißt die Anlage: Hofgut des (heiligen) Gallus. Beginn des ambitionierten Bauprojekts war der 1. August 2012.
In seinem zehnten Jahr ist nun nach den Worten des Leiters der Klosterbaustelle, Hannes Napierala, für das Projekt eine neue Zeit angebrochen. Der Bau orientiert sich am ältesten erhaltenen Bauplan des Mittelalters: dem „St. Galler Klosterplan“. Er ist aus fünf Stücken Pergament zusammengenäht und 112 auf rund 77 Zentimeter groß. Als er um das Jahr 830 entstand, herrschte gerade der Sohn Karls des Großen: Kaiser Ludwig der Fromme.
Plan von der Reichenau
Wegen der bräunlich-schwarzen Beischriften zu den in Rot gezeichneten Grundrissen gilt das Kloster auf der Bodensee-Insel Reichenau als Herstellungsort des Plans. Die Beischriften stammen von Reginbert, dem Leiter der dortigen Bibliothek und Schreibwerkstatt, sowie von einer weiteren Hand. „Vermutungen, es handle sich dabei um Reginberts Schüler und Vertrauten Walahfrid Strabo, den berühmtesten Dichter der Reichenau, konnten bisher nicht bestätigt werden“, erklärt Ernst Tremp.
Tremp war Leiter der Stiftsbibliothek des Klosters St. Gallen, in der man den berühmten Plan im Original besichtigen kann. Er weist einen Widmungsbrief auf, den vermutlich der Reichenauer Abt Heito geschrieben hat. Er ist an seinen St. Galler Amtsbruder Gozbert gerichtet, dem „diese knappe Aufzeichnung einer Anordnung der Klostergebäude“ nicht etwa zur Belehrung, sondern „zum Studium“ dienen sollte.
Die Kirche ist das Herzstück
Herzstück des Klosterplans ist die Kirche. Sie bezieht sich konkret auf die Bedürfnisse und Gegebenheiten in St. Gallen, denn im Chor ist der der Gottesmutter Maria und dem heiligen Gallus geweihte Hauptaltar eingezeichnet. Der irische Mönch Gallus hatte am Bodensee eine Einsiedelei gegründet, in der er anno 640 starb. Am Grab gründete der später heiliggesprochene Otmar die Abtei St. Gallen.
„Der Plan ist ein Musterbeispiel dafür, wie ein großes Reichskloster mit seinen vielfältigen Bereichen und Aufgaben aufgebaut sein sollte“, führt Tremp aus. Der Plan trägt den Bedürfnissen der Mönche sowie der Pilger und anderer Gäste Rechnung. Für jede dieser Gruppen gibt es eine eigene Bäckerei und Brauerei. Eingezeichnet sind Kapellen und der Kreuzgang, Schule und Arzthaus, Stallungen und Kornspeicher, die Werkstätten der Handwerker und viele weitere Gebäude.