Anderthalb Jahre lang war der indische Salesianerpater Tom Uzhunnalil Gefangener einer islamistischen Terrormiliz im Jemen, die dem „Islamischen Staat“ nahestehen soll. Dann wurde er freigelassen. Im Interview spricht er über die schwere Zeit und was ihm in Geiselhaft geholfen hat.
Pater Tom, rund zwei Jahre liegt Ihre Geiselhaft nun zurück. An was erinnern Sie sich noch besonders aus dieser Zeit?
Ich erinnere mich an alles, an jede Einzelheit und an jeden einzelnen Tag.
Alles begann am Morgen des
4. März 2016. Was geschah damals genau?
Ich betete wie jeden Morgen während der Messe in der Kapelle der Missionarinnen der Nächstenliebe in Aden, gemeinsam mit den fünf Schwestern, als ich draußen Schüsse hörte. Die Tage vorher hatte sich die Situation eigentlich entspannt, nachdem zuvor bereits Kirchen im Jemen angegriffen und zerstört wurden. Die Schwestern verließen vor mir die Kapelle, und als ich nach draußen kam, sah ich, wie mehrere Menschen von Vermummten erschossen wurden, auch vier der Ordensschwestern.
Warum, glauben Sie, haben die Terroristen Sie an diesem Morgen nicht erschossen?
Damals sind in Aden 16 Menschen getötet worden, dort, wo wir lebten. Ich bin überzeugt, sie haben mich nicht erschossen, weil Gott wollte, dass ich jetzt hier bei Ihnen sitzen und Ihnen diese Geschichte und davon erzählen kann, dass Gebete und Gedanken von so vielen Menschen mich gerettet haben.
Was passierte mit Ihnen?
Sie brachten mich zu einem Auto und fragten mich dann, ob ich Muslim sei. Ich sagte: Nein, ich bin Christ. Dann nahmen sie mich mit. Etwas später öffneten die Entführer die Wagentür erneut und warfen etwas Metallisches hinein, das in Tücher gewickelt war. Ich ahnte, dass es der Tabernakel aus der Kapelle der Schwestern war.
Wohin haben die Entführer Sie gebracht?
Ich war während der anderthalb Jahre an sechs verschiedenen Orten und wusste nie, was demnächst passieren würde und was draußen los war. Ich habe Flugzeuge gehört und Geräusche, aber mehr war in den kleinen Kammern, in denen ich saß, nicht wahrnehmbar.