Kommentar:

Neuheidnischer Kulturkampf am Berliner Stadtschloss

Ein Kreuz, eine Kuppel, ein Bibelzitat und jetzt auch noch acht große Statuen von alttestamentarischen Propheten: Das Berliner Stadtschloss ist oft in den Schlagzeilen. Kritiker aus Politik und Medien stoßen sich an der christlichen Symbolik sowie einigen Spendern. Karl Birkenseer, Redakteur unserer Regensburger Ausgabe, kommentiert die Aufregung

Der Kulturkampf neuheidnischer Ideologen gegen das Christentum nimmt immer groteskere Formen an. Anhand der Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses konnte man bereits gegen das Kuppelkreuz und eine Collage kolonialistisch verstandener Bibelzitate polemisieren. Nun sind es die steingewordenen jüdischen Propheten an den acht Kuppelecken, die man zum Anlass wüstester Beschimpfungen nimmt. Der Vorwurf: Mit der angeblich reaktionären Geschichtswende, für die das wiedererrichtete Schloss stehe, gehe ein christlicher Fundamentalismus einher, der islamophob sei und sich immer mehr zum Handlanger rechter, ja völkischer Tendenzen mache. Als argumentativer Trick wird dabei die Tatsache missbraucht, dass unter den zigtausenden Spendern, die mit ihrem Geld das Stadtschloss fördern, auch vereinzelt Rechtsradikale sind.

Bewusst übersehen wird dabei, dass das rekonstruierte Bauwerk mit dem Humboldt-Forum verknüpft ist, das zu 100 Prozent auf dem Boden des Grundgesetzes steht und gerade der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalismus und Kolonialismus viel Platz einräumt. Ignoriert wird auch, dass die christlichen Kirchen in Deutschland einen gewichtigen Anteil an dem haben, was als Vergangenheitsbewältigung weltweit Anerkennung fand und nicht weniger bedeutet als eine radikale Gegenposition zum Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus. 

Die Kirchen und ihr christlich-jüdisches Fundament haben in ihrer aktuellen Ausgestaltung nichts mehr mit Kreuzzugsideolo-
gien jedweder Art zu tun. „Das Christentum“ gleichzusetzen mit längst überwundenen Sünden der Vergangenheit ist schiere Böswilligkeit. Die unheilige Allianz von Thron und Altar hat keine Chance auf Wiederkehr. Dennoch beruft sich dieses Land zu Recht auf seine christlich-jüdischen Wurzeln, allerdings in einer aufgeklärt-rechtsstaatlichen Prägung. Das allein aber reicht den neuheidnischen Kulturkämpfern schon aus, um wüst um sich zu schlagen. Ihnen geht es nicht um Argumentation, sondern um Vernichtung.