Orte adventlicher Romantik

Weihnachtsmärkte: Einst waren sie Verkaufsmessen

Alle Jahre wieder laden hierzulande stimmungsvolle Weihnachtsmärkte zum Bummeln ein. Man trifft Freunde, sieht sich um, genießt – und nicht zuletzt: Man kauft ein. Die Tradition des Weihnachtsmarkts ist nicht nur typisch deutsch. Sie ist auch alt. Die Ursprünge reichen bis ins Mittelalter zurück.

Zu den ältesten Weihnachtsmärkten in Deutschland gehören neben dem ursprünglichen Münchner Nikolausmarkt aus dem 14. Jahrhundert, dem Bautzener Wenzelsmarkt von 1384 und dem Frankfurter Weihnachtsmarkt von 1393 auch der im Jahr 1434 erstmals abgehaltene Dresdner Striezelmarkt und der Weihnachtsmarkt in Leipzig (1458). Für den Nürnberger Christkindlesmarkt gehen die ältesten schriftlichen Nachweise auf das Jahr 1628 zurück.  

Würstchen und Kastanien

Die Ursprünge der Weihnachtsmärkte gehen wohl auf die Verkaufsmessen des Spätmittelalters zurück. Schon für das 15. Jahrhundert ist belegt, dass Handwerker in der Vorweihnachtszeit auf Marktplätzen ihre Waren anboten. Schlosser, Schuster, Korbflechter, Bäcker und viele mehr stellten Buden auf und hielten eine „Messe“ ab. Ab und an gab es damals sogar schon fahrende Musikanten, die für die musikalische Unterhaltung zuständig waren. Weil auch damals die Besucher bereits Hunger bekamen, wurden nebenbei Würstchen gebraten oder Kastanien geröstet.

In Dresden wurde der berühmte Dresdener Stollen verkauft. Bereits 1434 hatte der damalige Kurfürst Friedrich II. in Dresden das Abhalten eines freien Markts an einem Tag in der Woche sowie „am Tage vor dem Heiligen Christabend“ bewilligt. Dieses befristete Privileg bezog sich zunächst nur auf einen freien Fleischmarkt, denn die Bürger sollten nach den vorweihnachtlichen Fastentagen die Möglichkeit haben, sich hier ihren Festtagsbraten auszusuchen. Weil sich der Markt bewährte, wurde er beibehalten und auf andere Waren ausgedehnt. 

Zahlzeit für das Gesinde und die Dienstmädchen

Bei aller Kauflust und einem entsprechenden Angebot hätte der Umsatz sicherlich nicht solche Höhen erreicht, wenn nicht schon vor Jahrhunderten an Weihnachten Zahlzeit für das Gesinde und die Dienstmädchen gewesen wäre, so dass auch sie durch den ausbezahlten „Weihnachtstaler“ ein wenig mehr Geld als gewöhnlich in der Tasche hatten. 

Zu den besonderen Höhepunkten des Dresdner Weihnachtsmarkts gehört bis heute das Stollenfest am Samstag vor dem zweiten Adventssonntag, das auf eine historische Begebenheit des Jahres 1730 zurückgeht. Den Riesenstollen mit einem Gewicht von annähernd 3000 Kilo, der mittlerweile gebacken wird, schneiden die Dresdener nach einem Umzug durch die Innenstadt an und verkaufen ihn für einen guten Zweck.

Der Leipziger Weihnachtsmarkt ist nicht nur einer der ältesten in Deutschland, sondern mit seinen rund 300 Ständen auch einer der größten, wobei er sich harmonisch in die historische Kulisse der Innenstadt einfügt. 1458 hatte der damalige Kurfürst von Sachsen und Markgraf von Meißen, Friedrich II. (1412 bis 1464), den Markt der Stadt und ihren Bürgern als Dank für treue Dienste genehmigt. Die Leipziger sollten sich dort mit Nahrungsmitteln und Gebrauchsgegenständen für den anstehenden Winter und das Weihnachtsfest eindecken können. 

Auch der Stuttgarter Weihnachtsmarkt, der größte in Baden-Württemberg, ist nicht erst in der Gegenwart eine Attraktion. Herzog Ulrich von Württemberg war es, der 1507 seinen Bürgern in Stuttgart drei Jahrmärkte mit den damit verbundenen Aktivitäten genehmigte: einen im Frühling, einen im September und einen dritten Ende November, aus dem schließlich der 1692 erstmals urkundlich erwähnte Weihnachtsmarkt entstand. 

Händler aus Belgrad

Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte der Stuttgarter Weihnachtsmarkt laut der „Schwäbischen Kronik“ ein derart hohes Ansehen, dass nicht nur Händler aus ganz Deutschland und der Schweiz, sondern sogar aus dem serbischen Belgrad kamen. Ihr vielfältiges Angebot reichte von orien­talischen Stoffen, Kleidern und Lebensmitteln bis hin zu Basler Leckerli, Nürnberger Lebkuchen und Hutzelbrot. 

Der Übergang vom reinen Versorgungsmarkt zum vergnüglichen winterlichen Treffen vollzog sich weitgehend im 18. Jahrhundert.
In dieser Zeit wurde auch Weihnachten von einem rein kirchlich-religiösen Fest, das mit Kirchgängen und Krippenspielen öffentlich begangen wurde, zu einer bürgerlichen Feier im Familienkreis: mit geschmücktem Tannenbaum und Festessen. Das gesellige Beisammensein und Geschenke für die Kinder gewannen an Bedeutung – zumindest in der Mittel- und Oberschicht.

Immer häufiger wurde auf Weihnachtsmärkten in Deutschland nun auch Spielzeug angeboten, Weihnachtsbaumschmuck und Krippen. Erst mit dem Aufkommen der großen Kaufhäuser um 1900 verschwanden viele Waren wieder von den Märkten, da sie in den Warenhäusern günstiger und in größerer Auswahl zu erhalten waren. Die romantisch-folkloristische Ausrichtung der Märkte aber erlebte – ungeachtet der Einschränkungen und Unterbrechungen während der beiden Weltkriege – einen Aufschwung. 

Heutzutage versuchen viele Städte, statt allzu lauter Fahrgeschäfte historisch anmutende Stände zu fördern, auf denen traditionelles Kunsthandwerk und regionale Spezialitäten angeboten werden. Zwar klagt der eine oder andere nach wie vor über eine gelegentliche „Rummelplatz-Atmosphäre“ oder übertriebenen Konsum. Für die Mehrheit aber dürften die geschmückten Stände, zwischen denen die Besucher nach Lust und Laune bummeln können, eher eine romantisch-weihnachtliche Stimmung mit sich bringen.

Mächtige Burgruine

Besonderes romantisch präsentiert sich der Weihnachtsmarkt im elsässischen Kaysersberg. Das liegt nicht zuletzt an der stimmungsvollen Kulisse inmitten von Weinbergen und unterhalb der mächtigen Burgruine einer im Mittelalter entstandenen Stauferburg. Jedes Jahr an den vier Adventswochenenden, wenn sich die Altstadt der rund 2700 Einwohner zählenden Gemeinde Kaysersberg in einen traditionellen elsässischen Weihnachtsmarkt verwandelt, herrscht hier Ausnahmezustand.

Ein Schritt in den Ortskern mit seinen gepflasterten Gässchen und den verzierten Fachwerkhäusern – und der Besucher wähnt sich in einer weihnachtlichen Märchenwelt. Wie ein Gesamtkunstwerk präsentiert sich das Städtchen: Selbst die Fenster der in allen Farben gestrichenen Häuserfassaden sind aufwändig mit Tannengrün und weihnachtlichen Figuren geschmückt, viele Fensterläden mit leuchtend roten Tüchern und goldenen Schleifen ummantelt. Dazu kommen dekorierte Holzbuden in weihnachtlichem Flair.

Es lohnt sich, bis zum Abend zu bleiben: Dann geht überall in der Altstadt die festliche Beleuchtung an und verstärkt die vorweihnachtliche Stimmung, der sich selbst hartgesottene Nicht-Romantiker kaum entziehen können. Lichterketten lassen die kleinen Gassen und die Häuserfassaden sowie die festlich dekorierten Schaufenster der Verkaufsläden erstrahlen. Auch die Bäume sind illuminiert, ebenso die in vielen Innenhöfen sowie auf jedem Platz stehenden hölzernen Verkaufsbuden. 

Kitsch wird kaum angeboten, dafür aber zahlreiche handgefertigte Produkte aus der Region und hochwertiges Kunsthandwerk: individuelle handbemalte Christbaumkugeln, mundgeblasenes Glas, Stoffe, Töpferwaren, Blumenschmuck und Holzspielzeug. Oft kann man den Künstlern bei ihrer Arbeit auch über die Schulter schauen. Die Essensangebote reichen von Köstlichkeiten der Region wie Flammkuchen und „choucroute“ (Sauerkraut mit Fleisch) bis zu selbstgemachten Marmeladen, Geräuchertem, Weihnachtskuchen und Likören. 

In Gängen und Höhlen

Noch ein letzter Weihnachtsmarkt sei genannt. Besser gesagt ist es auch hier wieder eine ganze Stadt, die sich in ein vorweihnachtliches Märchenparadies verwandelt – und das sogar unterirdisch. Es geht um das holländische Valkenburg, wenige Kilometer von Maastricht und nur 15 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Unterhalb der alten Burgruine befinden sich mehrere Gemeindegrotten aus dem elften und zwölften Jahrhundert, labyrinthartige Gänge und Höhlen, die seinerzeit durch den Abbau von Kalksandstein entstanden sind. 

Auf 800 Metern innerhalb des ausgedehnten Gang- und Höhlensystems, das zur Vorweihnachtszeit stimmungsvoll ausgeleuchtet wird, findet man links und rechts schön dekorierte Stände mit weihnachtlichem Angebot in einer ungewöhnlichen, aber festlichen Atmosphäre. 1985 fand der Weihnachtsmarkt in Valkenburg das erste Mal statt. Alt ist er also nicht – aber eben ein ganz besonderes vorweihnachtliches Erlebnis unter der Erde.

Irene Krauß