Kritik von Kirche

EU-Parlament fordert Recht auf Abtreibung

Das EU-Parlament hat erneut die Aufnahme eines Rechts auf Abtreibung in die Europäische Grundrechte-Charta verlangt. Für einen entsprechenden Appell an die Mitgliedstaaten stimmten am Donnerstag 336 Abgeordnete, 163 dagegen; 39 enthielten sich. Die Resolution erfolgte rund einen Monat nachdem Frankreich als erstes Land weltweit Abtreibungzu einem verfassungsmäßigen Recht erklärt hatte. Kirchenvertreter in Brüssel werteten die Initiative als ideologisches Manöver ohne rechtliche Relevanz.

Eine Änderung der Grundrechte-Charta, wie sie auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron befürwortet, würde die einhellige Zustimmung aller EU-Staaten erfordern; dies ist mit Blick auf konservative Regierungen unwahrscheinlich. Fragen der Gesundheitsversorgung, also auch legaler Schwangerschaftsabbrüche, fallen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

Die Resolution wendet sich gegen "Rückschritte im Hinblick auf Abtreibungsrechte" unter anderem in Polen, Ungarn und Malta. Restriktive Gesetze in einigen Ländern der EU führten dazu, dass Frauen unter unsicheren und lebensbedrohlichen Umständen abtreiben, für einen Abbruch ins Ausland reisen oder die Schwangerschaft gegen ihren Willen zu Ende führen müssten. Dies stelle "eine Verletzung ihrer Menschenrechte und eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt" dar.

Die Abgeordneten riefen die Mitgliedstaaten auf, "Abtreibungen im Einklang mit den WHO-Leitlinien von 2022 vollständig zu entkriminalisieren" und den Zugang zu sicheren und legalen Abtreibungen sowie Leistungen sexueller und reproduktiver Gesundheit sicherzustellen. Sie verurteilten, dass aufgrund einer "Gewissensklausel" von Ärzten oder ganzen medizinischen Einrichtungen die Möglichkeit einer Abtreibung teils verwehrt bleibe.

Weiter verlangte das Parlament kostenlose Verhütungsmittel, Beratungsangebote für die Familienplanung und besondere Hilfen für wirtschaftlich benachteiligte Frauen. Umgekehrt dürften Gruppen, die sich gegen Gleichstellung, Frauenrechte und reproduktive Rechte einsetzten, keine EU-Gelder erhalten.

Die Interessenvertretung der katholischen Bischöfe bei der EU erklärte sich betrübt, aber nicht überrascht. Man müsse "zur Kenntnis nehmen, dass dieses Parlament jetzt, in dieser Legislatur, ein Parlament ist, das Abtreibung befürwortet", sagte der Generalsekretär der Bischofskommission COMECE, Manuel Barrios Prieto. Abtreibung könne kein Grundrecht sein; Grundpfeiler aller Rechte sei das Recht auf Leben. Auch dürfe die EU "nicht anderen eine bestimmte Ideologie aufzwingen, eine bestimmte Sichtweise der menschlichen Person, Sexualität oder Familie". Ebenso wenig könne die Grundrechte-Charta strittige Punkte aufnehmen.

Enttäuscht äußerte sich Barrios über die gespaltene Haltung der Europäischen Volkspartei (EVP). Es sei "ziemlich traurig", dass ein guter Teil der Partei, die ihre Wurzeln in einer christlich-demokratischen Tradition sehe, für die Resolution gestimmt habe. In der von Manfred Weber (CSU) geführten EVP-Fraktion hatten zwar 70 Abgeordnete gegen die Resolution votiert, aber 43 dafür; 11 enthielten sich.

Der europäische Dachverband katholischer Familienverbände nannte die Entschließung ein "zynisches politisches Manöver vor den Europawahlen". Weder erkenne der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein Recht auf Abtreibung an, noch tue das irgendein anderes internationales Gericht. Es handle sich um einen "Manifest-Antrag für ideologische Zwecke, ohne eine rechtliche Grundlage", sagte Verbandspräsident Vincenzo Bassi.

Es gelte, Frauen in schwierigen Situationen nicht alleinzulassen, betonte Bassi. Konkrete sozialpolitische Maßnahmen zur Unterstützung von Frauen und Kindern führten weiter als "ideologische Erklärungen ohne Auswirkungen auf die Realität".

KNA

12.04.2024 - Abtreibung , Europa , Politik