Lange Zeit wurden in den Bistümern Gotteshäuser gebaut, die aussahen „wie immer“ – also so, wie man sich die traditionelle Kirche vorstellt. Ab den 1920er Jahren übertrugen sich neue Stilrichtungen in der Architektur nach und nach auch auf den Kirchbau.
„In Ahaus steht eine Kirche, / die nennen die Bürger St. Horten. / Der Fremde verharrt entgeistert / in und vor solchen Orten. (...) Für diese Kirche in Ahaus / wurde eine alte abgerissen. / Grad noch der Turm blieb übrig, / der Rest hat für immer verschissen.“ Dass der Dichter Robert Gernhardt, der bis zu seinem Tod 2006 in Frankfurt lebte, sich überhaupt über eine Kirche im Münsterland auslässt, ist eine Sache. Dass er dies mit spitzer Feder tut, überrascht weniger.
In der Tat scheiden sich an der von Erwin Schiffer entworfenen, 1966 geweihten Kirche St. Mariä Himmelfahrt die Geister. Weil sie von außen wenig von einer klassischen Kirche hat und weil sie manche Zeitgenossen wegen ihrer von kleinen Buntfenstern unterbrochenen Betonfassade eher an ein Kaufhaus hat denken lassen, verpassten sie dem Bau den Titel „St. Horten“ – nach dem einstigen Düsseldorfer Warenhauskonzern.
Bewährte Baustile
Dass „modern“ und „Kirche“ zusammenpassen, damit hatten die Verantwortlichen in den Bistümern lange ihre Probleme. Wobei man konkretisieren muss: Die „Moderne“ in der Kirchenarchitektur begann schon vor 100 Jahren, mit dem Ende des Ersten Weltkriegs. Bis dahin galt die klare Vorgabe, dass neu zu bauende Gotteshäuser sich an den bewährten Baustilen zu orientieren hatten. Kirchen sollten so aussehen, wie man sich Kirchen eben vorstellte. So war die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägt von Neoromanik, Neogotik und Neobarock.
Noch 1912 erklärte der Kölner Erzbischof Anton Fischer in seinem „Gotik-Erlass“ den traditionellen Stil als verbindlich. Als in den 1920er Jahren Expressionismus, Neue Sachlichkeit und der „Bauhaus“-Stil die Architektur veränderten, übertrug sich dieser Neuaufbruch aber auch auf manchen Kirchenbau. Eines der beeindruckendsten Zeugnisse dafür ist die Heilig-Geist-Kirche in Münster. Heute mag sie vielen alles andere als modern vorkommen.
Klare, kantige Formen
Damals war sie es. Nach dem Entwurf des Duisburger Architekten Walter Kremer entstand ab 1928 ein Bau, der mit seinen klaren, kantigen Formen Ideen der Neuen Sachlichkeit und der eleganten Einfachheit des „Bauhauses“ aufgreift. Vorsitzender der Jury, die damals über den Gewinner des Architektenwettbewerbs entschied, war Dominikus Böhm, einer der wichtigsten Kirchenarchitekten jener Zeit, der die traditionelle Anordnung einer Kirche überwand.
Neben Heilig Geist in Münster zählt St. Engelbert in Köln-Riehl, 1930 bis 1932 nach einem Entwurf von Böhm erbaut, zu den Vorreitern des neuen Stils. Böhm gilt als Meister der „Mystifizierung durch Licht“, das er als „Baumaterial direkt vom Herrgott“ verstand. Kunstexperten betrachten St. Engelbert als radikales Bekenntnis zu einer Religiosität, die sich dem Neuen öffnet.