Hintergründe zum Weihnachts-Klassiker

Der Großvater vom kleinen Lord

Für viele gehört er zur Weihnachtszeit wie Christbaum, Krippe und Plätzchen: der Filmklassiker „Der kleine Lord“. Seit 1980 wird er in Deutschland stets kurz vor dem Fest ausgestrahlt. Die Verfilmung eines Werks von Frances Hodgson Burnett erzählt, wie der hartherzige Earl of Dorincourt durch seinen Enkel zu einem weihnachtlich gestimmten, großzügigen Mann wird. Auch im Leben von Darsteller Alec Guinness führten Kinder zu einer bedeutenden Wende – und zu einem „Weihnachtserlebnis“ der besonderen Art.

Der 1952 von der Queen für seine künstlerischen Verdienste geadelte Sir Alec Guinness (1914 bis 2000) wuchs ärmlich und ohne Wissen auf, wer sein Vater war. Wie die meisten Engländer gehörte er der Anglikanischen Kirche an. Seine Konfirmation empfing er mit 16 Jahren. Wie damals in Großbritannien üblich, hatte auch Alec massenhaft Vorurteile gegenüber der katholischen Kirche und ihren Gläubigen. 

Grundsätzlich änderte dies auch die Freundschaft zu einem katholischen Geistlichen während des Zweiten Weltkriegs nicht. Er setzte sich dadurch aber erstmals tiefer mit dem christlichen Glauben auseinander. Einen echten Sinneswandel sollte dagegen ein höchstens sieben Jahre alter Junge im Burgund auslösen, dessen französische Aussagen der Schauspieler nicht einmal verstehen konnte. 

Vermeintlicher Priester

Da Guinness für den  Film „Die seltsamen Wege des Pater Brown“ in eine Soutane gewandet war, hätte man ihn auf der Straße durchaus für einen echten Priester halten können. So erging es dem kleinen Jungen, der ihn an einem Drehtag auf der Straße sah. Er rannte auf den vermeintlichen Priester zu, fasste ihn an der Hand und schüttete ihm in seinem schnell gesprochenen Französisch sein Herz aus. 

Alec Guinness verstand nichts und konnte nicht antworten. Dann hatte es der Junge plötzlich eilig und verabschiedete sich in seiner Muttersprache mit den Worten ­„Bonsoir, mon père!“ – zu Deutsch: „Guten Abend, Herr Pfarrer!“ Dieses Ereignis beschäftigte den Charakterdarsteller sehr und sorgte dafür, dass er die katholische Kirche anders wahrnahm.

„Während ich weiterging, dachte ich darüber nach, dass eine Kirche, die in einem Kind solches Vertrauen wecken konnte, dass selbst unbekannte Priester ihm derart leicht zugänglich erschienen, nicht so hinterhältig und gruselig sein konnte, wie man sie so häufig hinstellte“, schrieb er später. Er habe damals begonnen, seine Vorurteile, die er sich über lange Zeit angeeignet hatte, abzuschütteln. 

Versprechen an den Herrgott

Kurz vor Beginn eines Drehs erkrankte Guinness’ Sohn Matthew an Kinderlähmung. Tief getroffen suchte der Mime fortan die auf seinem Heimweg liegende katholische Kirche auf, um dort zu beten. Er versprach dem Herrgott, dass er, wenn sein Sohn vollständig genesen würde, sich mit einem möglichen Konfessionswechsel seines Sohnes zum Katholizismus dankbar zeigen würde. 

Gott mag das Bittgebet und das Gelöbnis erhört haben. Jedenfalls wurde Matthew gegen jede ärztliche Annahme vollständig gesund. Nachdem sein Sohn drei Jahre auf eine von Jesuiten geführte Schule ging, trat der 15-jährige Sproß 1955 tatsächlich mit dem Wunsch an seine Eltern heran, zum Katholizismus konvertieren zu dürfen. Das Ehepaar hielt Wort. 

Mann der 1000 Gesichter

Noch im selben Jahr tat es der gefeierte Darsteller, der wegen seiner Wandlungsfähigkeit „Der Mann der 1000 Gesichter“ genannt wurde, seinem Jungen gleich und wurde katholisch, nachdem er vom Pfarrer von Petersfield Konvertiten­unterricht erhalten hatte. Zu seinem Konfessionswechsel trugen auch die Exerzitien in der Trappistenabtei Mount St. Bernard bei. 

Das schlichte Mönchsleben und die prachtvolle Liturgie beeindruckten ihn tief. „Wie unzählige Konvertiten vor und nach mir fühle ich, dass ich nach Hause gekommen war“, schreibt Alec Guinness später über seine Aufnahme in die katholische Kirche am 24. März 1956. 42 Jahre war er damals alt – und auf dem Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn. 

Weihnachtsgottesdienst in Sri Lanka

Seine Frau Merula, ebenfalls Schauspielerin, konvertierte, während Alec in Sri Lanka war, um den Film „Die Brücke am Kwai“ zu drehen. Seine Frau überraschte ihn mit einem Besuch. Im Gepäck hatte sie die Kunde vom eigenen Weg in den Schoß der katholischen Kirche. In einer kleinen Kirche am Sandstrand feierte das Ehepaar Guinness mit den Einheimischen den ersten Weihnachtsgottesdienst als Katholiken. 

Für Sohn Matthew müssen die Eltern ein großes Vorbild gewesen sein, denn auch er wurde Schauspieler. Sir Alec und seine Frau Lady Merula waren 62 Jahre skandalfrei verheiratet. Beide starben im Jahr 2000 an Krebs: Alec am 5. August mit 86 Jahren, seine Frau rund zwei Monate später. Beide ruhen nebeneinander auf dem Friedhof der katholischen Kirche St. ­Lawrence in Petersfield in der Grafschaft Hamp­shire.

Elmar Lübbers-Paal

Hinweis

Das Erste zeigt „Der kleine Lord“ am 22. Dezember um 20.15 Uhr sowie am zweiten Weihnachtstag um 16.35 Uhr.

12.12.2023 - Film , Glaube , Weihnachten