16. Oktober 1923:

Mit einer Maus fing alles an

Welcher Weltkonzern kann schon von sich behaupten, seinen Aufstieg einer Maus und einer Ente zu verdanken? Nichts war davon  zu ahnen, als 1923 der 21-jährige Walter „Walt“ Elias Disney und sein Bruder Roy in einer Garage in Hollywood ihr „Disney ­Brothers Cartoon Studio“ gründeten.

Walts erstes, 1920 in Kansas City eingerichtetes Trickfilmstudio für Werbe­cartoons endete in der Pleite. Nun wollten es die Gebrüder in Hollywood nochmals versuchen. Das Startkapital von 500 Dollar stammte größtenteils von Roy Disney, Walt lieh sich eine gebrauchte Kamera und bastelte sich einen Zeichentisch. Der 16. Oktober 1923 gilt als Gründungsdatum.

Für 1500 Dollar bestellte der Verleih M. J. Winkler eine Serie von anfangs 13 und schließlich 40 Kurzfilmen von fünf bis zehn Minuten Länge, beruhend auf Disneys Kreation „Alice’s Wonderland“: Das Mädchen Alice (Kinderschauspielerin Virgina Davis) besucht darin ein Trickfilmstudio und träumt in einer Mischung von animierten und realen Sequenzen von tanzenden Tieren. 

Micky statt Oswald

Der Auftritt von Disneys berühmtesten „Schauspielern“ ließ noch bis 1928 auf sich warten: Vorgesehen war „Oswald der lustige Hase“. Er fiel jedoch Rechtsstreitigkeiten zum Opfer. So schlug die große Stunde von Micky Maus, Held des Cartoons „Steamboat Willie“, einem der ersten Tonfilme überhaupt. Micky verdankt seinen Namen Walts Gattin, die das vorgesehene „Mortimer“ für zu blasiert hielt. Die Mäusestimme imitierte Walt persönlich, wobei er zur Finanzierung der Tontechnik sein Auto verkaufen musste. 

1934 erschuf Disney das Universum rund um Donald Duck und Entenhausen. 1935 spielte der Trickfilm „Schneewittchen“ auf Anhieb 8,5 Millionen Dollar ein. Obwohl künstlerisch wertvoll, entwickelten sich „Pinocchio“ und „Fantasia“ (1940) durch den kriegsbedingten Wegfall der europäischen Märkte zu ruinösen F­ehlinvestitionen. Die Rettung brachten „Bambi“ (1942), „Cinderella“ (1950) und TV-Dokumentationen wie „Die Wüste lebt“ (1953). 

1955 wurde im kalifornischen Anaheim das erste „Disneyland“ eröffnet. Am Tag der Premiere ging alles schief: Die TV-Übertragung moderierte ein inkompetenter Schauspieler namens Ronald Reagan (ein Freund Disneys und zukünftiger US-Präsident), es gab tausende gefälschter Tickets, die Besucher stürmten das Märchenschloss, bei 38 Grad Hitze schmolz der Asphalt, der Raddampfer leckte und die Mondrakete sah aus wie eine V-2 (Berater war Wernher von Braun). Dabei war Walt Disney doch für seinen Perfektionismus gefürchtet! 

Idealisierte Gegenwelt

Der Zauberer des Zeichenbretts schuf eine idealisierte Gegenwelt: Keine Gewalt, nichts Unpatriotisches, und in punkto Erotik stellte Daisy Duck das Maximum dar. Die 1960er wurden ein goldenes Jahrzehnt mit Klassikern wie „Mary Poppins“ (1964) oder „Das Dschungelbuch“ (1967). 

Walt Disneys Tod 1966 bedeutete eine tiefe Zäsur. Nach vielen Krisen verdankt der Konzern seine Dominanz vor allem zwei Akquisitionen: 2009 und 2012 kaufte er die „Marvel-Studios“ und „Lucasfilm“ mit dem „Krieg der Sterne“-Universum – seitdem sind Spiderman und Darth Vader quasi Angestellte von Micky Maus.

Michael Schmid

12.10.2023 - Film , Historisches , USA