Zum 250. Geburtstag

Caspar David Friedrich: Ein Revolutionär der Leinwand

Der Maler Caspar David Friedrich, geboren am 5. September 1774 in Greifswald, ist derzeit wieder ganz populär. Das liegt vielleicht an seinem bevorstehenden 250. Geburtstag. Mehrere Museen wollen ihn mit Sonderausstellungen feiern. Zwei von ihnen tun das schon jetzt – und nicht erst zum Termin im Jahr 2024. Den Auftakt macht Winterthur in der Schweiz. 

Dort, im „Kunst Museum Winterthur“, läuft die Ausstellung „Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik“. Selbst für Caspar David Friedrich gilt das Sprichwort: „Kein Meister ist vom Himmel gefallen.“ Also sind auch Werke seiner Vorgänger und Zeitgenossen zu sehen, von denen einige Friedrichs besondere Begabung für die Landschaftsmalerei erkannt und ihn weiter ausgebildet haben.

Die Ausstellung ist die erste, die Caspar David Friedrich, den wohl wichtigsten Maler der Romantik, den Eidgenossen vor Augen führt. Das Publikum kommt in Scharen. Ende September zählte man bereits mehr als 8000 Besucher. Denen flattert schon draußen ein bekanntes, nun auf Stoff gedrucktes Bild als Begrüßung entgegen: „Wanderer über dem Nebelmeer“, heißt es und wurde um 1817 gemalt.

Die Betrachter grübeln

Auch als Original ist es in der Ausstellung zu sehen. Die Betrachter grübeln vielleicht, ob dieser wackere Wandersmann, der ihnen da auf Friedrichs Leinwand den Rücken zukehrt, stolz oder unsicher auf die Nebelschwaden schaut. Dass die ungewöhnliche Perspektive keine Seltenheit ist, fällt beim Rundgang auf: Friedrich zeigt die Menschen zumeist von hinten.

Das Star-Objekt in Winterthur ist das gleich am Saaleingang aufgehängte Gemälde „Kreidefelsen auf Rügen“ von 1818. Das kennen viele, obwohl es erst im Jahr 1920 gefunden wurde. Als eine genaue Prüfung ergab, dass wirklich Caspar David Friedrich es gemalt hatte, kaufte es der Mäzen und Kunstsammler Oskar Reinhart, der später alle seine wertvollen Werke dem Schweizer Museum vermachte.

Die Besucher freuen sich über die lichten Himmelsfarben der „Kreidefelsen“. Wer gute Augen hat, erkennt auf den Ostseewellen winzige Segelboote, während im Vordergrund drei Menschen auffallen. Links sitzt eine Frau im roten Kleid und streckt die Hand nach einem alten Mann auf dem Boden aus. Sein Stock liegt neben ihm. Ist er gestürzt? 

Die Führerin meint, der Alte liebe nur den von Gras bedeckten Boden und sei der Vater von Caspar David Friedrich. Der jedoch steht vorne rechts, schaut nur aufs Wasser und kehrt allen Betrachtern den Rücken zu. Friedrich hat das Bild mit dem mehrfarbigen Himmel kurz nach seiner Hochzeit im Januar 1818 gemalt. Die Dame in Rot ist sicherlich seine fast 20 Jahre jüngere Frau Christiane Caroline Bommer. 

„Kreidefelsen auf Rügen“ ist das hellste Gemälde im Saal, und manche nennen es Friedrichs Hochzeitsbild. Der Künstler war, als er heiratete, schon 42 Jahre alt, und seine Freunde, die ihn als Melancholiker kannten, erstaunte dieser Schritt. Das Paar hatte bald drei Kinder. Sie und die Frau, die viel Verständnis für die Malerei ihres Mannes hatte, mussten öfter unter seinen Depressionen und den damit verbundenen Gewalttätigkeiten leiden. 

„Dass er melancholisch und depressiv war, ist gar keine Frage“, äußerte sein Biograf Werner Busch. Insofern wundert es nicht, dass fast alle weiteren Bilder im Saal sehr dunkel sind. Nur sein großes Gemälde „Der Watzmann“ von 1824/25 zeigt von der Sonne beleuchtete Gipfel. Dieses Werk, eine Leihgabe aus der Berliner Nationalgalerie, empfinden die Schweizer als einen „krönenden Höhepunkt“ der Schau. 

Religiöser Mensch

Düster und melancholisch wirken dagegen das „Hünengrab im Schnee“ und das „Kreuz auf Rügen“, das Friedrich als religiösen Menschen kennzeichnet. Ob aber „Mann und Frau bei Betrachtung des Mondes“ reinste Romantik vermitteln sollen, ist die Frage. Ohnehin streiten nach wie vor die Experten, wie Friedrichs Bilder einzuordnen sind.

Sind sie religiös oder gar politisch geprägt? Oder sollte das Publikum das Gemalte selbst interpretieren? So fragt man sich etwe beim Blick auf die sehr dunkle „Ruine Eldena im Riesengebirge“. Ganz anders wirkt hingegen die von der Sonne beschienene reale Ruine von Eldena. Sie liegt auch denkbar weit vom Riesengebirge entfernt: nahe Friedrichs Geburtsstadt Greifswald.

Friedrichs Art, so düster zu malen, sei Absicht und ein Protest gegen die Klassik gewesen, hört man. Vor allem die Vorliebe des damaligen Publikums für die sonnige und lebensfrohe italienische Malerei habe Friedrich erzürnt, erklärt die Führerin. Also malte er auf „nordische Art“. So jedenfalls empfanden es viele. Auf diese Weise revolutionierte Caspar David Friedrich die Landschaftsmalerei. 

Bettelbrief an den Zaren

Sogar der russische Zar Nikolaus I. kaufte seine Bilder. Einem weiteren Russen, dem Kunstsammler Wassili Andrejewitsch Schukowski, verdankt Friedrich, dass er nach zwei Schlaganfällen in seinen letzten Lebensjahren nicht Bankrott machte. Trotz der Ankäufe durch den Förderer starb der Maler bitterarm. Genauso erging es seiner Familie. Nach einem Bettelbrief an den Zaren wurde die Witwe schließlich von ihm unterstützt.

Nicht nach Russland, sondern nach Hamburg gehen nach deren Ende wichtige Bilder der Winterthu­rer Ausstellung. „Kunst für eine neue Zeit“ heißt die Friedrich-Ausstellung in der Hansestadt, die von 15. Dezember bis 1. April 2024 andauern soll. Berlin lockt danach mit „Unendliche Landschaften“ in die Alte Nationalgalerie. Etwa 60 Gemälde und 50 Zeichnungen aus dem In- und Ausland werden dort vom 19. April bis zum 4. August gezeigt. 

Dagegen geht Greifswald, Caspar David Friedrichs Geburtsstadt, mit einem vielfältigen Programm durchs ganze Jahr. Die letzte Jubiläumsausstellung läuft vom 24. August bis 5. Januar 2025 im Albertinum in Dresden. In der sächsischen Hauptstadt verbrachte Friedrich die meiste Zeit seines Lebens. Gerne wanderte und malte er in der Sächsischen Schweiz. Am 7. Mai 1840 starb er in Dresden.

Ursula Wiegand

Information

„Caspar David Friedrich und die Vorboten der Romantik“ ist noch bis 19. November zu sehen. Weiteres unter www.kmw.ch. Alles rund um das Jubiläum finden Sie unter caspardavid250.de.