Der neue Vorstand hat viel vor mit dem Cäcilienverband. Bis heute gelte das Motto seines Gründers Franz Xaver Witt: „Wir wollen nichts anderes, als die praktische Durchführung dessen befördern, was die Kirche über die Musik angeordnet hat.“ Während Witt, ganz im Geiste des Konzils von Trient (1545 bis 1563), die Kirchenmusik wieder stärker an die Liturgie binden wollte und dabei den Gregorianischen Choral als Ideal proklamierte, hat der ACV inzwischen seinen Fokus erweitert.
Werz erklärt: „Der Grundauftrag, für die Pflege der Kirchenmusik zu sorgen, ist erhalten geblieben. Aber der Cäcilienverband konzentriert sich dabei nicht auf ein Genre, sondern ist sich der Vielfalt der kirchenmusikalischen Spielarten bewusst und versucht, diese abzubilden und zu fördern.“
Um den ACV als echten „Bundesverband für Kirchenmusik“ zu etablieren – so die Vision der neuen Verbandsspitze –, müssten alle, die im Bereich der Kirchenmusik aktiv sind, mit eingebunden werden. „Angesichts gesellschaftlicher und kirchlicher Veränderungen ist es jetzt die Zeit, eine starke Stimme für die Kirchenmusik zu haben“, sagt ACV-Präsidentin Kunz. Kirchenmusik solle „als ein wichtiger Player in der Kulturszene unserer Bundesrepublik“ wahrgenommen werden. Woche für Woche würde in den Pfarreien in Kinder-, Jugend- und Kirchenchören, aber auch in Instrumentalgruppen Kultur- und Bildungsarbeit geleistet – und das in der Regel unentgeltlich.
Kultur und Religion
Generalsekretär Werz fügt hinzu: „Kirchenmusik hat gesellschaftlichen Mehrwert. Ich erfahre Gemeinschaft, ich erfahre, was es heißt, an etwas gemeinsam zu arbeiten und als Teil von vielen zum Gelingen beizutragen.“ Dieses kulturelle Kapital und Potenzial müsse auch gegenüber der Kirche verdeutlicht werden, fordert Werz: „Die Kirchenmusik ist ein ganz zentraler pastoraler Spieler in den Gemeinden. Sie ist oftmals die einzige Organisationsform, wo kulturelle, also musische Bildung und religiöse Bildung Hand in Hand gehen.“
Die Kirche, die derzeit stark unter Imageproblemen leide, könne auch, was die öffentliche Wahrnehmung betrifft, von der Kirchenmusik profitieren. Judith Kunz erklärt anhand ihrer Arbeit als Domchordirektorin: „Eine der ersten Fragen, die bei Aufnahmegesprächen immer öfters gestellt wird, ist: Kommt mein Kind mit einem Priester in Kontakt? Das treibt die Menschen um.“
Kunz und Werz sehen hier viel Potenzial: „Bei uns in den Chören kann man Kirche nochmal ganz anders erleben.“ Denn obwohl die Kirchenmusik in kirchliche Strukturen eingebettet sei, sei sie „in gewisser Weise frei vom Klerikalen, von den kirchlichen Hierarchien“.
Vorbilder des Glaubens
Werz verdeutlicht: „Da stehen ganz normale Menschen vorne – wie Sie und ich –, die nicht aufgrund einer Priester- oder Diakonenweihe ein besonderes Amt innehaben.“ Und doch hätten sich diese Menschen in der Regel ganz bewusst dafür entschieden, ein kirchliches Ensemble zu leiten statt ein weltliches, und seien von dem berührt, was sie singen. Der Generalsekretär betont: „Kirchenmusiker sind lebendige Vorbilder des Glaubens, die zu besonderen Boten der Verkündigung werden.“
Neben dieser permanenten Lobby-Arbeit, um die Kirchenmusik in Gesellschaft und Kirche stärker zu positionieren, hat die neue Verbandsspitze auch konkrete Pläne. „Wir wollen für unsere Mitglieder Angebote schaffen, die ihnen einen Mehrwert bieten“, betont Werz und verweist auf die bereits bestehende Verbandszeitschrift „Musica sacra“. Als mögliche Neuerungen nennt er eine Rechtsberatung, etwa für Fragen des Urheberrechts, oder gemeinschaftsstiftende Angebote wie eine überdiözesane Chorreise. „Generell wollen wir das Ehrenamt stärker wertschätzen und das Engagement der Hunderttausenden, die sich Jahr für Jahr mit ihrer Stimme und ihrer Kraft in unseren Kirchenchören einbringen, würdigen“, sagt Werz.
„Hier klingt’s mir gut“
Ein großes Herzensprojekt haben Kunz und Werz bereits erfolgreich auf den Weg gebracht: Bei „Hier klingt’s mir gut“ dreht sich alles um „musikalische Teilhabe“. Werz erklärt: „Unser Fokus liegt auf allen Menschen, die teilhabebedürftig sind. Insbesondere denken wir an Menschen mit Behinderung und mit Migrationshintergrund.“ Das Projekt, das von der Bundesregierung gefördert wird und unter der Schirmherrschaft von Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa und Alt-Bundespräsident Christian Wulff steht, wolle helfen, diese Menschen in die Chöre zu integrieren.
Im Rahmen des Projekts sollen Coachings für Chorleiter angeboten werden, um ihnen bewusst zu machen, wie sie ihre Chöre auch für Menschen mit Behinderung oder beispielsweise Fluchterfahrung öffnen können. Auch ganz praktische Fragestellungen sollen dabei eine Rolle spielen, etwa die behindertengerechte Einrichtung von Probenräumen und Kirchen sowie deren Finanzierung. Kunz und Werz betonen: „Wir wollen über unsere konfessionellen Grenzen hinaus einen Beitrag leisten und aufzeigen, dass Chormusik ein Geschenk für unsere Gesellschaft ist.“
Romana Kröling