Bibelland Oberlichtenau

Jesu Wirken in der Diaspora

Auf zwei Tafeln stehen in Hebräisch die Zehn Gebote. Der Schrein enthält eine herausziehbare Thora-Rolle mit Thora-Finger („Jad“). Ein siebenarmiger Leuchter kündet von der Schöpfungsgeschichte. Dahinter leuchtet ein bemaltes Fensterbild. „Es steht sinnbildlich für die zwölf Fenster, die in der Regel jede Synagoge hat. Es erinnert zudem an die zwölf Stämme Israels und an das Ewige Licht“, meint Maik Förster. 

Er ist ehrenamtlicher Geschäftsführer des Christlichen Vereins Oberlichtenau in der Lausitz. Dieser lädt seit 2005 in das ­Freilichtmuseum­ Bibelland ein. Mehr als 70 000 Besucher aus aller Welt kamen bereits. Die meisten Gäste sind Katholiken. Auch Schulklassen steuern die Religionsschau in der als glaubensfern geltenden Gegend an. Die Synagoge ist ein neues Element in der ständigen Ausstellung.

Gebetsriemen und Segen

Maik Förster erläutert: „Ihre zwei Säulen erinnern an den ursprünglichen jüdischen Tempel. Eine Säule steht sinnbildlich für Boas – hebräisch für ‚In ihm (Gott) ist Stärke‘, die andere Säule für Jachin – hebräisch für ‚Er gibt Standfestigkeit‘.“ In einer Vitrine entdeckt der Besucher den Tallit, den jüdischen Gebetsmantel, die Gebetsriemen Tefillin, verschiedene Kipot, jüdische Kopfbedeckungen, und die Mesusa, einen Türsegen. 

Letztere hängt rechts in jeder Eingangstür eines jüdischen Hauses. „Höre Israel. Ich bin der Herr, dein Gott“, steht darin. „Es ist das Bekenntnis zum Einen-Gott-Glauben“, erklärt Förster. Die Vitrine enthält weiter einen Kidush-Weinbecher, einen Chanukka-Leuchter und ein fünfbändiges jüdisches Lexikon in deutscher Sprache. „Es ist ein Schatz an Wissen“, verdeutlicht der Geschäftsführer. 

„Aus Dankbarkeit und Wertschätzung für unsere Arbeit im Bibelland hat uns ein Oberlausitzer Apotheker diese Enzyklopädie geschenkt. Die Inhalte sind von über 250 jüdischen Wissenschaftlern und Schriftstellern zusammengetragen worden.“ Das Buch, fußend auf der Erstauflage 1927, erschien 1987. Es erläutert viele jüdische Begriffe, Orte, religiöse Handlungen, Personen und geschichtliche Fakten.

Verankert ist die Synagoge in der Dauerausstellung, die den ursprünglichen Bibelgarten ergänzt. Einen wesentlichen Bestandteil der Schau nehmen Nachbildungen des biblischen Alltags ein, darunter ein Felsengrab und eine Weinkelter. Eine byzantinische Mini-Basilika lädt dazu ein, zu beten und innezuhalten. Ein Ikonenmuseum präsentiert rund 50 Ikonen des Malers Manfred Richter. Und auch das größte Jerusalem-Panoramabild Deutschlands ist in Oberlichtenau zu Hause. 

Die kleine Synagoge schuf ­Diakon Matthias Hampel. Er zeigte die kleine Synagoge in der Kindermeile des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2011 in Dresden. Danach blieb sie viele Jahre in der Pfarrscheune in Oberlichtenau eingelagert. „Keiner zeigte ernsthaft Interesse“, erinnert sich Förster – bis die Frage aufkam, ob das Bibelland sie vielleicht übernehmen könne. Und es konnte. „Neu gebaut haben wir den Thora-Schrein, den siebenarmigen Leuchter und die Elektrik. Zu sehen sind jetzt die Grund­elemente einer Synagoge.“ 

Das Gebetshaus ergänzt vorhandene jüdische Elemente: einen Zeitstrahl der jüdischen Geschichte, das Felsengrab und einen Brand­opfer-Altar. Schulklassen erfahren in der Ausstellung eine Einführung in das Judentum. Vor allem für die Fächer Religion und Ethik bietet sich das an. Bei Führungen für Kirchengemeinden, Studenten, Schüler oder Touristen gibt die Synagoge erste Einblicke ins Judentum.

Reisen nach Israel

Hauptberuflich ist Maik Förster Geschäftsführer bei einem christlichen Reiseveranstalter. Von seinen Reisen bringt er neue Ausstellungsgegenstände, Ideen und Wissen mit ins Bibelland. Sein Steckenpferd sind Reisen für Kleingruppen nach Israel. Nicht selten nutzen Reisegäste einen Besuch im Bibelland zur Vorbereitung. Für seine 100. Reise nach Israel erhielt Förster im März vom israelischen Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, eine Urkunde überreicht. „Das ehrt mich sehr. Und das spornt mich an“, sagt der Ausgezeichnete. 

Beim Bundeswettbewerb „Machen!“ 2023 der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt gewann das Bibelland einen mit 5000 Euro dotierten Engagement-Preis. Auch das ist ein Grund zur Freude. Doch es gibt auch einen Wermuts­tropfen: Bis heute ist das Bibelland trotz seiner Bildungs- und Kultur­arbeit nicht offiziell als Museum anerkannt. Seit zwölf Jahren kämpft der Verein darum. Derzeit läuft vor dem Verwaltungsgericht Dresden eine Klage auf Anerkennung gegen den Freistaat Sachsen.

Vor dem neuen Gestaltungselement Synagoge halten immer wieder Besucher der Ausstellung inne. „Die Synagoge ist sehr anschaulich gestaltet. Das Bibelland insgesamt ist naturnah, verständlich, nachvollziehbar angelegt. Wir können uns gut in Jesu Lebenswelt hineinversetzen – in ihn als Mensch, in seine Nachbarn, in seinen Beruf, in seine Lebenslage damals“, meint Michaela Rüd aus dem bayerischen Ebertshausen. 

Begeistert vom Bibelland

Mit Ehemann Ingo und den Kindern Mathilda, Merle und Margareta war sie zwei Wochen auf Deutschland-Tour. Diese führte nach Würzburg und München, dann weiter zum Bodensee, nach Nordrhein-Westfalen und nach Hamburg, ostwärts an die Ostsee und von dort in die Lausitz. Vom Bibelland in Oberlichtenau war die Familie begeistert. 

Michaela Rüd ist Katholikin und arbeitet als Pastoralassistentin in der Pfarrei St. Kilian in Haßfurt im Bistum Würzburg. Verwurzelt ist sie in der Pfarrgemeinde St. Margaretha zu Hause in Ebertshausen. Ehemann Ingo ist evangelisch. Er engagiert sich im Gemeindekirchenrat der evangelischen Gemeinde Dreieinigkeit in Schweinfurt. Die Idee, eine kleine Synagoge nachzubauen, finden die Eheleute klasse. 

So geht es auch den Teilnehmern der Religiösen Kinderwoche der Katholischen Pfarrgemeinde St. Peter und Paul im brandenburgischen Senftenberg. Mit 19 Kindern und Jugendlichen zwischen sieben bis 15 Jahren besucht die Gruppe das Bibelland. „Spannend ist, die biblische Geschichte nachzuerleben. Wir bekommen hier eine genaue, praktische, lebensnahe Vorstellung von dem, wie Jesus damals gelebt hat“, meinen Emilia Sawicki und Benjamin Sawicki begeistert. 

Alles ist in Bewegung

Im Bibelland, sagt Maik Förster, ist alles in Bewegung. Stetig werden Inhalte erweitert, ergänzt, vertieft und neu veranschaulicht. „Der liebe Gott hat uns behutsam und unbeschadet durch die Corona-Zeit hindurch getragen“, erzählt der Geschäftsführer. „Zuerst traf uns die Pandemie hart. Denn fast zwei Jahre durften keine Schulklassen, Kirchengemeinde-Gruppen, Senioren-Gruppen und weitere Gruppen mehr hierherkommen.“ 

Auch Israel-Reisen waren nicht mehr möglich. „Wir spürten und erkannten dann jedoch: Durch Corona haben wir Zeit zum Nachdenken über die Ausrichtung des Bibellands, durch Corona können wir uns neuen Themen zuwenden. Und das haben wir dann getan.“

Am Eingangsbereich – in der Feldstein-Mauer – entstand 2021 ein kleiner Brunnen. Er ist die Kopie eines Brunnens in dem zypriotischen Dorf Tochni, der aus dem vierten Jahrhundert stammt. Die heilige Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, sei nachweislich dorthin gekommen, um Wasser zu schöpfen und zu trinken, sagt Förster. In der Eingangsmauer eingefügt sind Elemente, die für die byzantinische Baukunst stehen, für die Religion und die Kaiser jener Epoche. 

Ebenfalls in der Corona-Zeit entstand im Eingangsbereich des Bibelgartens nach antikem Vorbild ein kleines Amphitheater. Die Mitarbeiter nennen es liebevoll „kleiner Jerusalemer Flüsterbogen“ – ergibt sich doch, wenn Gruppen mit bis zu 50 Menschen hier zur Begrüßung sitzen, eine einzigartige Akustik. „Das ist so, wie die Römer einst ihr Amphitheater beschallten“, schildert Maik Förster. 

Ein „Salomonknoten“

Im Boden ist durch farbige Pflastersteine ein „Salomonknoten“ dargestellt. Er steht für die unauflösliche Verbindung Gottes zu den Menschen durch die Geburt Jesu. Dieser Knoten deutet auf das Kreuz hin. „Das Motiv Salomonknoten stammt aus der Geburtskirche Jesu in Bethlehem von einem byzantinischen Mosaik-Fußboden aus dem sechsten Jahrhundert“, sagt Förster. Oft beginnt er mit dieser Geschichte seine Führungen durch das Bibelland.

Noch ein weiteres Element der Ausstellung entstand in der Corona-Zeit: Es ist die Nachbildung der ältesten archäologisch ausgegrabenen Imkerei der Welt. „Im Bibelland nachgebaut haben wir einen archäologischen Fund vom Tel Rehov aus dem Jordan-Graben, zehn Kilometer südlich des Ortes Beith Schean. Dort fanden Wissenschaftler eine Imkerei“, erzählt Förster.

Die Inschrift in der rekonstruierten Imkerei besagt: „Das Land, wo Milch und Honig fließen.“ Mit diesen Worten beschreibt die Bibel insgesamt 16 Mal das Land Israel – als ein von Gott geschenktes fruchtbares Land, wo es den Menschen gut geht und wo reichlich Früchte wachsen. 

„Auch dieses Element passt gut hierher“, sagt Förster. „Oberlichtenau hat die größte Imker-Dichte in Sachsen: mit mehr als 30 Imkern im Ort.“ Für das Bibelland sei das honigsüße Element eine wunderbare Ergänzung. „Wir sind sehr stolz darauf.“

Andreas Kirschke

Informationen

über das Bibelland finden Sie im Internet: www.bibelland.de

29.09.2023 - Bibel , Bildung , Kinder